München, 7. April 2015 – In den kommenden Jahren werden Hybridantriebe dem klassischen Dieselmotor im Rennen um das sparsamste Antriebskonzept heftige Konkurrenz machen. Für Menschen, die oft weite Strecken auf der Autobahn am Stück zurücklegen, wird der Selbstzünder vermutlich aber noch lange eine Alternative sein. Auch mit vergleichsweise wenig Leistung? Eine Ausfahrt in einem Mercedes C 200 Bluetec sollte darüber Auskunft liefern.
Allen Bestrebungen vieler Autohersteller zum Trotz: Der Markenname Mercedes zählt noch immer etwas. Während der 14 Tage bekam ich ungewöhnlich viele Rückmeldung von Leuten, denen der Testwagen gut gefiel. Der Kombi wird seit September 2014 verkauft und ist im Heckbereich harmonischer gestaltet als der kantige Vorgänger. Da mag manch einer über die Tatsache hinwegsehen, dass dieser Kombi in Anbetracht einer Außenlänge von immerhin 4,7 m innen kein Riese ist. Dass der kaum kürzere CLA Shooting Brake in dieser Disziplin noch schlechter ist, tröstet nur wenig.
Der modern gestaltete Innenraum ist gut verarbeitet und macht den Eindruck, auch auf Dauer klapperfrei zu bleiben. Gut überlegt will die Wahl der Interieurleisten sein: Der Lack auf dem Holz zeigte schon im rund 10.000 Kilometer „alten“ Testwagen feine Kratzer. Der freistehende Bildschirm wurde in Foren heiß diskutiert, inzwischen scheinen sich viele damit angefreundet oder abgefunden zu haben. Es gibt Gerüchte, dass Mercedes mit der nächsten Modellpflege ein extrem breites Display einbauen wird, das dann Kombiinstrument und Navibildschirm vereinen soll. Wie das aussehen könnte, kann man sich heute schon in der S-Klasse ansehen. Abseits der formalen Frage lässt sich allerdings festhalten, dass Mercedes insgesamt eine intuitive Bedienung nicht gelungen ist. Klar, man gewöhnt sich an alles, doch ein paar Dinge rund um das Entertainmentsystem nerven auch nach längerer Eingewöhnung.
Eine sicher nicht nur von mir oft genutzte Kombination ist die parallele Anzeige des Bordcomputers im Kombiinstrument und der Karte auf dem Navibildschirm. Leider gibt es dann keine Möglichkeit, den Sender oder Musiktitel ohne Wechsel des Menus zu verändern. Anders ausgedrückt: Ich muss erst eine zusätzliche Taste drücken, um Sender oder Titel wechseln zu können. Der Controller lässt sich bei aktivierter Karte zwar nach rechts und links kippen, die Unterhaltungsabteilung bleibt dabei aber unverändert. Ein zwischenzeitlich neu angelegter Unterordner auf dem USB-Stick wurde nicht erkannt. Erst nach dem Anlegen eines neuen Ordners in der Hauptebene auf dem Stick las das System die komplette Struktur neu aus und fand in der Folge beide Ordner.
Merkwürdig ist auch die Telefonschnittstelle, wobei ich hier ehrlicherweise einen Anwenderfehler vermute. Denn kein Programmierer kann gewollt haben, dass nach jedem Abschalten der Zündung die Verbindung zum Telefon neu bestätigt werden muss. Wir haben das mit zwei Telefonen (Samsung B2100 und Nexus [1] 4 mit Android 5.01) probiert, dass Ergebnis blieb gleich. Der Kollege Daniel Schräder [2] von Techstage [3] war mit Apples iOS erfolgreicher. Um die Ecke denken musste auch, wer händisch dem Navi ein Ziel beibringen wollte. Hat man den Dreh einmal raus, geht es noch immer etwas langsamer als mit der sehr verständigen Sprachsteuerung. Tasten statt Drehregler für die Klimaanlage sind für mich ebenfalls kein Fortschritt. Es gab Zeiten, da konnte man das alles blind bedienen. Zum Glück arbeitet die Anlage so unauffällig, dass manuelle Eingriffe nur selten nötig sind.
Meine erste Erfahrung mit einem Mercedes-Schaltgetriebe liegt etwas mehr als 16 Jahre zurück. Sie war so prägend, dass ich nie wieder jemandem so etwas empfohlen hätte. Die aktuelle Ausgabe ist um Welten besser, doch irgendwie passt diese Art der Handarbeit nicht so recht zum Charakter der C-Klasse. Obwohl fahrdynamisch vor allen Vorgängern liegend, kann die vierte C-Klasse vor allem eines noch immer besser als viele Konkurrenten in diesem Segment: Sie wirkt entspannend. Die angenehm nachgiebige Luftfederung, die direkte, aber nicht unruhige Lenkung, das niedrige Geräuschniveau, die überaus bequemen Sitze – alles ist auf Komfort getrimmt. Sicher, man kann im Menu das Ansprechverhalten des Motors schärfen, die Federung zu einer gewissen Härte erziehen und die Lenkung knackiger auslegen. Doch die eigentliche Sprache dieses Autos ist eine andere.
Das zeigt sich auch bei der Maschine im von uns gefahrenen C 200 Bluetec. Weniger Leistung hat im C-Klasse-Programm derzeit nur der C 180 Bluetec. 136 PS und 300 Nm reichen voll aus, um den Wagen mehr als ausreichend zügig durch den Alltag zu bewegen. Vielleicht hilft bei der Einordnung der Fahrleistungen ein kurzer Blick zurück: Zu den Zeiten, als ich die oben erwähnte Erfahrung mit einer C-Klasse mit Schaltgetriebe machte, hatte der flotteste Diesel in der C-Klasse 150 PS und war nur mit Automatik zu bekommen. Für die damaligen Diesel-Verhältnisse war er mit 10,5 Sekunden im Standardsprint und einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h unerhört dynamisch.
Trotz mehr Gewicht und weniger Leistung ist sein aktueller Nachfahre mit Schaltgetriebe mit 10,1 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 und maximal 214 km/h schneller. Für letzteres braucht es etwas Anlauf, doch 160 km/h sind relativ schnell erreicht. Mehr Elan versprechen die stärkeren Diesel, die somit durchaus ihre Daseinsberechtigung haben. Der Geschwindigkeitsbereich zwischen 140 und 160 km/h ist im C 200 Blutec die bevorzugte Reisegeschwindigkeit, die mit zurückhaltenden Fahrgeräuschen begleitet wird. Deutlich lauter wird der Wagen erst oberhalb von 180 km/h.
Auch im Durchzug enttäuscht die kleine Maschine nicht: Von 60 auf 100 km/h im vierten Gang haben wir rund 7 Sekunden gemessen, von 80 auf 120 km/h im fünften Gang 10 Sekunden. Mit dem gebotenen Temperament lässt sich also bestens leben, sofern man keine Rennen anstrebt. Der C 220 Bluetec mit 170 PS kostet schon 2380 Euro mehr. Für dieses Geld gibt es schon fast die Automatik inklusive Tempomat. Letzterer fehlte dem ansonsten üppig ausstaffierten Testwagen übrigens. Auffällig lange brauchte die Maschine, um auf Temperatur zu kommen: Teilweise hatte das Kühlwasser auch nach 20 Kilometern noch keine 80 Grad erreicht.
Der Verzicht auf Leistung sollte nicht nur mit einem etwas geringeren Preis verbunden sein, sondern auch mit zurückhaltenden Verbrauchswerten. Hier waren wir etwas enttäuscht. Im Mittel kamen wir auf 6,3 Liter. Eine sonntägliche Tour über kaum befahrene Landstraßen brachte 4,9 Liter – weniger habe ich nicht hinbekommen, wobei auch dieser Wert nur mit einer sehr zurückhaltenden Fahrweise entstanden ist.
Ein beliebtes Spiel ist das Raten des Testwagenpreises. Anhand der mitgelieferten Ausstattungsliste kamen wir auf einen Listenpreis von knapp 59.000 Euro, wobei keineswegs alles eingebaut war, was die Aufpreisliste hergibt. Mit Automatik, Soundsystem, Schiebedach, der aufwendigen Klimaautomatik „Thermotronik“ und Standheizung fehlten dem Testwagen durchaus noch teure Zutaten zu einer Komplettausstattung. Der Listenpreis spielt bei C-Klasse für viele Kunden noch eine größere Rolle als bei den vergleichbaren Modellen von BMW und Audi. Bei ihnen lag der Anteil der privaten Zulassungen [4] im vergangenen Jahr bei deutlich unter 20 Prozent, die C-Klasse kam auf fast 40. Das ist durchaus bemerkenswert, denn es gibt kaum ein teureres Auto in dieser Klasse als den Mercedes.
Die Kosten für Überführung wurden von Mercedes übernommen. Kraftstoff wurde vom Autor bezahlt.
Mercedes C 200 Bluetec | |||
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Motor und Antrieb | |||
Motorart | Turbodiesel mit Commonrail-Einspritzung | ||
Zylinder | 4 | ||
Ventile pro Zylinder | 4 | ||
Hubraum in ccm | 1598 | ||
Leistung in PS | 136 | ||
Leistung in kW | 100 | ||
bei U/min | 3800 | ||
Drehmoment in Nm | 300 | ||
bei U/min | 1500 bis 3000 | ||
Antrieb | Hinterradantrieb | ||
Gänge | 6 | ||
Getriebe | Schaltgetriebe | ||
Fahrwerk | |||
Spurweite vorn in mm | 1584 | ||
Spurweite hinten in mm | 1566 | ||
Radaufhängung vorn | Mehrlenker, Schraubenfeder, Einrohr-Gasdruck mit SDD | ||
Radaufhängung hinten | Raumlenker, Schraubenfeder, Einrohr-Gasruck mit SDD | ||
Wendekreis in m | 11,22 | ||
Räder, Reifen vorn | Testwagen: 225/50 R17 Winterreifen von Continental | ||
Räder, Reifen hinten | Testwagen: 225/50 R17 Winterreifen von Continental | ||
Maße und Gewichte | |||
Länge in mm | 4702 | ||
Breite in mm | 1810 (mit Außenspiegeln 2020) | ||
Höhe in mm | 1457 | ||
Radstand in mm | 2840 | ||
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck | 1545 | ||
Zuladung in kg | 575 | ||
Kofferraumvolumen in Liter | 490 | ||
Maximales Kofferraumvolumen in Liter | 1510 | ||
Anhängelast, gebremst in kg | 1600 | ||
Dachlast in kg | 75 | ||
Tankinhalt in Liter | 41 (gegen Aufpreis 66) | ||
Fahrleistungen / Verbrauch | |||
Höchstgeschwindigkeit in km/h | 214 | ||
Beschleunigung 0-100 km/h in Sekunden | 10,1 | ||
Elastizität von 60-100 km/h in Sekunden | 6,9 | ||
Elastizität von 80-120 km/h in Sekunden | 10 | ||
EG-Gesamtverbrauch in Liter/100 km | 4,3 | ||
EG-Verbrauch innerorts in Liter/100 km | 5,1 | ||
EG-Verbrauch außerorts in Liter/100 km | 3,8 | ||
Testverbrauch Minimum in Liter/100 km | 4,9 | ||
Testverbrauch Gesamt in Liter/100 km | 6,3 | ||
Schadstoffklasse | Euro 6 |
Mercedes C 200 Bluetec | |
---|---|
Grundpreis | 37.961 |
Währung | Euro |
Modell | Mercedes C 200 Bluetec |
Kopfairbags vorn | Serie |
Kopfairbags hinten | Serie |
Klimaautomatik | Serie |
Automatikgetriebe | 2499 (inklusive Tempomat) |
Bildschirmnavigation | ab 1131 (inklusive Vorrüstung und Radio Audio 20 Touch) |
CD-Player | 238 |
Tempomat | 321 |
elektr. Schiebedach | 1690 |
Lederausstattung | ab 2249 |
Metallic-Lackierung | 928 |
Leichtmetallfelgen | Serie (16 Zoll) |
Xenon-Scheinwerfer | - |
LED-Scheinwerfer | ab 1029 |
Soundsystem von Burmester | 922 |
DAB-Tuner | 488 |
Head-up-Display | 1178 |
Heckklappe mit elektrischer Betätigung | 476 |
Kraftstofftankmit größerem Volumen | 60 |
AdBlue Behälter mit größerem Volumen | 60 |
Standheizung | 1630 |
Klimaautomatik Thermotronik | 1000 |
Sitzheizung | 387 |
Preisliste Stand Februar 2015 |
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