Für Online-Journalismus gibt es wenige erfolgreiche Bezahlmodelle.
Im Internet gibt es meist kostenlose Angebote, auf die man ausweichen kann, wenn ein anderes kostenpflichtig wird.
Je kleiner das jeweilige Angebot, desto geringer seine Chancen auf dauerhaft zahlende Kundschaft.
Dieser Wettbewerb wird durch englischsprachige Angebote noch verschärft.
Wie wäre es denn, wenn sich alle kleinen, unabhängigen, alternativen Anbieter mal zusammensetzen, eine Art Dachorganisation bilden, alle journalistischen Produkte auf einer einzigen Plattform sammeln und den Zugang für die gesamte Plattform für eine Flatrate anbieten? Am besten mit möglichst unterschiedlichen Inhalten und Orientierungen, bei Berücksichtigung journalistischer und ethischer Standards. Dann könnten auch die Kleinen eine Stimme behalten, das Ganze darf gerne international sein, alle Beteiligten hätten vielleicht sogar eine Art Grundsicherung und die Meinungsvielfalt könnte gewährleistet bleiben. Klingt nach einer riesigen Kraftanstrengung, aber einmal ins Rollen gebracht, könnte es zum Selbstläufer werden. Und ein signifikantes Gegengewicht zu privatem Mainstream und öffentlich-rechtlichen Medien werden.
Nach den anfänglichen Utopien über das Netz und die neuen Medien müssen wir sehen, dass Medienproduktion und -konsum zunehmend von narzisstisch gestörten Aufmerksamkeitshuren und deren Follower dominiert wird. Das war vor 10-15 Jahren noch nicht unbedingt absehbar, aber die Entwicklung des Mediums Fernsehen hat den Weg gewiesen - von anfänglicher Information, kultureller und politischer Bildung hat es sich in wenigen Jahrzehnten zu größtenteils unterirdischer Qualität entwickelt, schon bevor das Netz massenzugänglich war. Und naja, im Printbereich haben Boulevardzeitungen und -magazine den anspruchsvolleren Publikationen doch immer schon den Rang abgelaufen, oder irre ich mich da? Warum sollte das im Netz anders sein? Sicher sah es am Anfang anders aus, weil die Gruppe derjeniger mit Netzzugang oder -interesse begrenzt war, technisch, intellektuell und finanziell bedingt. Aber jetzt ist es das ultimative Massenmedium. Die Masse aber strebt nicht nach höherer Qualität, sondern versucht eine weitestgehende Nivellierung auf den kleinstmöglichen Nenner zu erreichen. Und steht kurz vorm Ziel oder hat es sogar schon erreicht, wenn Schmink- und Shoppingvideos oder Bloopers und Fails die meistgeklickten Videos sind.
Dabei hat die Masse natürlich kein übergeordnetes Bewusstsein oder ausformuliertes Ziel. Es gilt einfach nur die Prämisse des geringsten Widerstands und/oder Aufwands. Die Masse will unterhalten werden, nicht gebildet. Die wenigsten Konsumenten wollen darüber belehrt werden, warum ihr Verhalten fragwürdig ist, erst recht nicht nach 10 Stunden Arbeit. Früher war es das Privileg der Jugend, sich über solche Verhältnisse aufzulehnen, zu beschweren oder wenigsten darüber nachzudenken. Aber die Jugend (und Altersgruppen weit darüber hinaus) findet im Augenblick scheinbar am meisten Gefallen daran, den status quo beizubehalten, zu prokrastinieren, sich der Unterhaltung zu ergeben und auf komplexere Zusammenhänge zu verzichten. Ist erschreckend, gebe ich zu - der Nachwuchs heute scheint angepasster denn je.
Aber hier liegt eben auch die Aufgabe: mit den Tatsachen arbeiten, statt in Erinnerungen zu schwelgen oder dagegen anzuschimpfen. Eine Kooperation vieler kleiner Anbieter würde dazu führen, dass viel mehr Menschen andere Angebote überhaupt erst wahrnehmen. Ich selber würde niemals 5 Euro im Monat oder mehr für die Online-Version einer einzigen Zeitschrift oder Zeitung ausgeben. Aber ein breitgefächertes Angebot unterschiedlicher und qualitativ hochwertiger journalistischer Produkte für diesen Preis? Gerne!
Ach ja, und Flatrate statt Micropayment, weil: erstens will ich nicht die Katze im Sack kaufen und einen Artikel vorher bezahlen, der dann doch schlecht ist. Und zweitens würde es wohl zu einer weiteren Filterblase führen - irgendwann würden sich Ton und Ausrichtung aller Artikel nach den bestbezahlten ausrichten.
Und noch ein Nachsatz: mit diesem Geschäftsmodell kann - zumindest im alternativen Bereich - wahrscheinlich niemand reich werden. Wer Journalist geworden ist, weil er die große Kohle verdienen wollte, hat dann wohl eine Fehlentscheidung getroffen.