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  • amagde

mehr als 1000 Beiträge seit 19.01.2012

De-Mail ist mein Dauerlacher seit einem halben Jahr - Praxisbericht

Am Anfang stand bei einer Kommune die Idee, dem angeblichen Bedarf an
De-Mail-Kommunikation beim Bürger ein Postfach zum Empfang entgegen
zu stellen. Dann folgte der Beschluss, also los.
Markterkundung, Angebote der akkreditierten Anbieter, pflichtgemäß
den wirtschaftlichsten Anbieter ausgewählt. Dann haben wir es ja
gleich. Aber, dann fing das klassische Drama erst an.

1. Akt
Ein unerlaubtes Zeichen in den Adressdaten verhindert eine
Bestellung. Der gesamte Prozess bleibt sofort stecken und man möge
doch einfach die Adresse falsch schreiben, damit das Zeichen nicht
mehr vorkommt.
Nach mehreren Mails, Gesprächen und dem Abweisen der ersten Rechnung,
folgt die Einsicht, dass der zertifizierte Anbieter die Sache mit
De-Mail nicht ganz verstanden hatte und das zugehörige Gesetzt wohl
nur vom Hörensagen zu kennen schien. Der Anbieter bietet nun an, die
Daten zu korrigieren und die Rechnungen zu stornieren (ja, waren
schon mehrere, dauert ja bis zur Einsicht manchmal).
Der Anbieter trägt nach eigener Aussage die korrekten Adressdaten
ein, das eigentlich zulässige unzulässige Zeichen soll da nun drin
sein. Lässt sich aber nicht bestätigen, weil es echte Einsicht erst
bei Abschluss des Prozesses gibt.
Erwähnenswert ist, dass Anbieter bei jedem Telefon das Gespräch mit
anderen Personen als dem Bürgermeister ablehnt, weil nur der
Vertragspartner sei. Er gibt dann aber immer nach, wenn man ihm
deutlich genug zu verstehen gibt, dass es nicht Aufgabe des
Bürgermeisters ist, dem Anbieter das richtige Schreiben offizieller
Daten zu erläutern.
Ende 1. Akt

2. Akt
Nun möge man bitte die Vertretungsberechtigung des Bürgermeisters
belegen. Ein wenig hin und her offenbart eine verstörende Regelung
hierzu, die für wochenlange kommunale Heiterkeit sorgt. Der
Bürgermeister soll bestätigen, dass er der Bürgermeister ist. Und um
das zu stützen soll der Bürgermeister bestätigen, dass mitzusendende
Wahlbestätigung echt ist. Ein jederzeit beim Bundesland einzusehendes
Register ist dagegen keinesfalls ausreichend, das ist alles nur dann
echt sicher, wenn man das Recht für sich selbst behauptet und das
dann selbst bestätigt. Nachdem sich die Heiterkeit über so viel
großes Kino gelegt hatte, war mal wieder eine Rechnung abzuwehren.
Ende 2. Akt

3. Akt
Nun muss aber noch die Identität des Bürgermeisters anhand seines
Ausweises bestätigt werden. Man kann wählen zwischen "es kommt einer
vorbei" und "man geht irgendwo hin und legt den Ausweis da vor". Ok,
ersteres klingt toll, also das.
Das Formular dafür lässt sich wieder nicht mit der richtigen Adresse
befüllen. Dann das andere. Das Formular lässt sich erst gar nicht
benutzen, will irgendwie nicht sichtbar werden. Nach einigen
Telefonaten kann dann das erste Verfahren angeblich über ein vom
Anbieter händisch erstelltes Formular gestartet werden, nur abwarten,
da meldet sich dann einer. Immerhin wurde in etlichen Telefonaten der
Anbieter davon überzeugt, dass nicht für jedes technische Problem
beim Anbieter der Bürgermeister bei denen als einzig akzeptierter
Gesprächspartner anzutreten hat. Auch toll.
Juhu, also Ende 3. Akt

Kommando zurück, wieder im 3. Akt
Das Formular hat wieder nicht die richtige Adresse, die Heiterkeit
aus dem 2. Akt ist lange verflogen. Ist aber auch bedeutungslos, weil
der angekündigte Termin nie gemacht wird. Der Anbieter meldet sich
einfach nicht mehr. Mehrere Telefonate später wird klar warum: In dem
Gebiet sind gar keine Termine frei, eigentlich zu keinem Zeitpunkt
frei gewesen. Als sich die Fragezeichen verzogen hatten, einigte man
sich auf Verfahren 2. Der Bürgermeister geht mit seinem Ausweis zu
einem Laden um die Ecke und alles wird gut.
Juhu, Ende 3. Akt

Kommando zurück, wieder im 3. Akt
Das dafür nötige Formular ließ sich nicht erstellen, die Adresse ist
zu lang. 
Das ist toll, immerhin ein anderer Fehler als "unzulässiges Zeichen".
Hier machen wir jetzt also Schluss, geht ja nicht mehr weiter. Aber
nicht doch, halt halt. Der Anbieter will nun auf jeden Fall sich
intesivst darum kümmern, dass jemand zur Identifikation vorbei kommt
und dass der sich auch wirklich meldet. Und man glaubts kaum, es gibt
einen Termin!
Juhu, endlich Ende 3. Akt. Reicht aber auch, schließlich hat das
ganze Prozede noch ein paar Akte mehr...

Aber nein, Kommando zurück, wieder im 3. Akt
Der Termin ging vorbei und der Identitätsprüfer wohl auch. Jedenfalls
erschien der nicht. Na ein Glück hat der Bürgermeister auf den
gewartet. Wäre ja nicht auszudenken, wenn man einen Dienstleister
einfach so stehen lassen würde. Also, wenn er gekommen wäre.
Da die Wochen ins Land zogen, waren mal wieder Rechnungen abzuwehren.
Etliche Telefonate später wurden die Versprechen so fest, dass einem
ganz warm ums Herz wurde. Und auch einen Termin gab es wieder und
diesmal wird er ganz, ganz sicher auch kommen.
Also endlich Ende... Ach, wen veralber ich hier. Der kam natürlich
nicht. Der Bürgermeister schon, aber der muss ja selbstverständlich
über mehrere Stunden Gewehr bei Fuß stehen, kann ja nicht angehen,
dass der Dienstleister dem hinterlaufen müsste. Wer will denn da von
wem was? Also bitte..
Naja, nach einem halben Jahr also immer noch im 3. Akt und das
Spektakel wird mit einer gewissen Faszination verfolgt. Mittlweile
ist das wie das Dschungelcamp. Eigentlich will keiner drüber reden,
aber wenn einer das Schweigen bricht, dann bricht es aus allen heraus
und es wird laut und heiter.

Aber, wenn wir dann nicht gestorben sind, dann erzähl ich Euch
vielleicht wie es zu Ende ging und wie dann glücklich bis ans
Lebensende ge-de-mailt wird.
Ich bin mir da eigentlich ganz sicher, denn immerhin haben wir es ja
nicht mit irgendwelchen Anbietern zu tun. Wäre ja nicht auszudenken,
was einem dann passieren würde! Nein, wir sind in den sicheren Händen
eines vom BSI akkreditierten Anbieters. Was kann da schon schief
gehen?

Schönen Start in die Woche!

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