Nehmen wir mal eine beliebige deutsche Behörde mit einem einheitlichen IT-Gerätepark, der mit Windows XP läuft. Die Behörde hat entweder eine eigene, eine übergeordnete oder eine externe IT-Abteilung. Spielt erstmal keine Rolle.
2007: Ein neues Windows namens Vista kommt auf den Markt. Die IT-Abteilung sagt: Da warten wir mal ne Runde, was die Fachwelt dazu sagt.
2008: Die Fachwelt sagt "Bähh".
2009: Ein neues WIndows namens 7 kommt auf den Markt. Die IT-Abteilung sagt: Da warten wir mal ne Runde, was die Fachwelt dazu sagt.
2010: Die Fachwelt sagt: "Gut". Die IT-Abteilung fragt beim Hersteller der proprietären Behördensoftware nach der Unterstützung für Windows 7 an.
2011: Der Hersteller der Behördensoftware liefert die erste Version für Windows 7 aus. Die IT-Abteilung der Behörde hat sich derweil schon mal nach zähem Ringen mit dem Finanzausschuss das Equipment für ein kleines Server-2008-Windows-7-Testnetz zugelegt. Die neue Version der Behördensoftware wird darauf getestet. Das Ergebnis daraus meldet sie als Mängelliste an den Hersteller.
2012: Der Hersteller der Behördensoftware schiebt ein Update für die bemängelten Punkte nach. Nach nochmaliger Prüfung durch die IT-Abteilung meldet diese einen kalkulierten Bedarf von [beliebigen Betrag einsetzen] Euro an den Finanzausschuss. Weil gerade eine neue Legislaturperiode der direkt übergeordneten Landesregierung begonnen hat, halten erst einmal alle Ministerien die Taschen zu und streiten sich um neue Budgets. Darum werden alle nicht unbedingt notwendigen Ausgaben hinten angestellt. Parallel dazu stellt die IT-Abteilung eine Anfrage an den Hersteller der Behördensoftware zur Unterstützung von Windows 8.
2013: Wegen der bevorstehenden Bundestagswahl verteilt die Bundesregierung schnell noch ein paar Wahlgeschenke in Form von Gesetzesänderungen. Diese haben Auswirkungen auf die in unserer Behörde einzusetzende Behördensoftware. Also schickt die IT-Abteilung schon mal ein Pflichtenheft an den Hersteller.
2014: Die Ausschüsse der direkt übergeordneten Landesregierung haben nach langer Diskussion einen Etat für die IT-Migration beschlossen, der etwa 70% der veranschlagten Summe umfasst. Die IT-Abteilung erstellt ein Pflichtenheft für die Ausschreibung der Migration sowie eine Anfrage an den Hersteller der Behördensoftware zur Unterstützung von Windows 10.
2015: Der Hersteller der Behördensoftware schiebt ein Update zur Unterstützung von Windows 8 sowie der Gesetzesänderungen in 2013 nach. Wegen der inzwischen auftretenden Inkompatibilitäten zu Windows XP beendet man hier jetzt den Support für das alte Betriebssystem. Dadurch können noch produktiv laufende XP-Maschinen nicht mehr auf die letzten Versionen der Behördensoftware geupdatet werden. Im Ergebnis sind die bald neu hinzukommenden Arbeitsplätze mit Windows 7 nicht gleichzeitig mit den älteren XP-Maschinen betreibbar. Dadurch ändern sich die Migrationsbedingungen, weshalb die laufende Ausschreibung geändert werden muss. Gegen Jahresende stellt die IT-Abteilung eine Bedarfsmeldung über [beliebigen Betrag einsetzen] Euro zur Migration von Windows 7 auf Windows 10 an den Finanzausschuss.
2016: Ein IT-Systemhaus hat die Ausschreibung gewonnen, die neuen Maschinen werden mit vorinstalliertem Windows 8 inkl. Downgrade-Berechtigung auf Windows 7 ausgeliefert (Man muss sich ja an die Ausschreibung halten). Bei den Rechnern handelt es sich um ältere Lagerbestände, weil man aktuelle Maschinen nur noch mit Windows 10 bekommt. Die IT-Abteilung unserer Behörde ist fleißig mit dem Neuaufsetzen von Windows 7 und der Installation der Behördensoftware beschäftigt. Der Rollout erfolgt dann in einer konzertierten Aktion im Herbst 2016, also 7 Jahre nach Erscheinen von Windows 7. Die "neuen" Maschinen laufen nun mit einem Windows, für das in 3 Jahren der Support seitens Microsoft schon wieder eingestellt wird.
Und das war in etwa ein optimal verlaufener Migrationsprozess einer deutschen Behörde. Da sind noch keine Nebengeplänkel wie z.B. die LiMux-Diskussion in München einkalkuliert.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (08.05.2015 14:43).