Disketten: Diese Scheiben waren ein Hit​

Zum Marktstart waren Disketten für Daten die praktische und sichere Alternative zu Magnetband. Aus Neu-PCs sind die Laufwerke schon lange wieder verschwunden.​

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(Bild: Shutterstock.com/Shaiith)

Von
  • Karl-Gerhard Haas
Inhaltsverzeichnis

Wir schreiben das Jahr 1969: Willy Brandt wird Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Neil Armstrong betritt als erster Mensch den Mond, das Arpanet, der Vorläufer des heutigen Internets, nimmt den Betrieb auf – und der damals dominierende Computerhersteller IBM verteilt Aktualisierungen für seinen Großrechner "System 370" auf Disketten mit 20,3 Zentimetern (acht Zoll) Durchmesser. Konzipiert wurden sie bei IBM unter der Leitung von Alan Shugart seit 1967 – der aber immer betonte, dass mit der eigentlichen Entwicklung zunächst David Noble betraut war. Offiziell erschien die erste Diskette 1971, also vor 50 Jahren – das exakte Datum weiß nicht mal mehr IBM.

Diese, unter dem Codenamen Minnow ("Elritze", ein Kleinfisch) projektierten Speichermedien sollten zunächst nur ein Versandproblem lösen: Die IBM-Maschinen konnten beim Start zusätzlichen Mikrocode lesen, den IBM regelmäßig aktualisierte. Ihn auf den damals üblichen Magnetbändern an die Kunden zu schicken, war umständlich, denn die Bänder waren sperrig und teuer. Die Elritze sollte in ein Briefkuvert passen und nicht mehr als fünf US-Dollar kosten.

Technik im Rückspiegel

(Bild: 

LIAL/Shutterstock.com

)

Früher selbstverständlich, mittlerweile längst vergessen: heise online blickt zurück auf ehemalige Alltagstechnik und erklärt, warum wir sie heute nicht mehr nutzen.

Noble experimentierte mit Single-Schallplatten mit 17,5 Zentimetern (7 Zoll) Durchmesser, Endlos-Audiocassetten ("Cartridges") und einer nur einmal bespielbaren Kunststofffolie namens Dictabelt – erfolglos. Das Team wurde erweitert; schlussendlich bastelten 25 Personen (unter anderem Donald L. Wartner und Herbert E. Thompson) am neuen Medium – allem Anschein nach inspiriert von einem mit rotierenden Magnetscheiben arbeitenden Telefunken-Diktiergerät.

Die ersten Prototypen arbeiteten noch mit nackten Magnetfolien, aber die durch Staub verursachten Fehler waren zu gravierend. Schnell erhielten die wegen ihrer schlabberigen Scheiben "Floppy" genannten Speicher eine Schutzhülle, die die Disc auch reinigte. Nach manchen Quellen wurden die ersten "System 370" mit Diskettenlaufwerk 1969 ausgeliefert, offiziell kamen die ausschließlich lesefähigen Drives 1971 auf den Markt. Die als "23FD" bezeichneten Disketten hatten eine Kapazität von 80 Kilobyte, was rund 3000 Lochkarten entsprach.

Immer kleiner, immer mehr Speicher: Die Evolution der Disketten wurde schließlich von der CD überholt.

(Bild: George Chernilevsky, gemeinfrei)

Das Patent darauf wurde erst 1973 erteilt – ein Jahr zuvor hatte Memorex bereits eine beschreibbare Variante der Technik vorgestellt. IBM folgte 1973 mit einer beschreibbaren Floppy und nannte sie 33FD – jetzt mit 242 KByte. Diese Discs, ihre Weiterentwicklungen wie auch Varianten von DEC und anderen Anbietern waren zunächst Großrechnern vorbehalten. Ins Bewusstsein des Normalverbrauchers rückten Floppys erst mit der 5-¼-Zoll-Variante (13,4 Zentimeter).

Alan Shugart hatte 1975 seine eigene Firma gegründet; beim Mittagessen (nach anderen Quellen abends in einer Bar) mit seinen Ingenieuren Jim Adkisson und Don Massaro klagte An Wang, Gründer des gleichnamigen PC-Herstellers, über die sperrigen 8-Zoll-Floppys. Für seine Microcomputer brauchte er handlichere Datenträger und -laufwerke. Als Adkisson fragte, welche Größe Wang vorschwebe, zeigte der auf eine gefaltete Serviette. Im Dezember 1976 erschien mit dem 390 US-Dollar teuren Modell SA-400 das erste 5-¼-Zoll-Floppylaufwerk mit einer Kapazität von 110 KByte. Die Nachfrage war so groß, dass Shugart Panasonic (damals firmierte der Konzern unter Matsushita) als OEM-Lieferanten verpflichtete.

1980 brachte Commodore mit dem 8050 das erste Diskettenlaufwerk für die Heimcomputer des Herstellers. Da die keinen eigenen Controller fürs Datenlaufwerk hatten, steckte in den Geräten fast ein kompletter Computer für die Laufwerkssteuerung. Mit dem 1981 vorgestellten IBM-PC kamen die 5-¼-Zoll-Floppys endgültig im Massenmarkt an.

Von 8- wie 5-¼-Zoll-Disketten gab es zunächst Varianten mit einer Datenschicht, später wurden beidseitige der Standard. Bastler verwandelten mit einem Locher ein- in doppelseitige Medien; aus den 160 KB der UR-IBM-PC-Disketten wurden zunächst doppelseitige mit 360 KB, später "High Density"-Floppys mit 1,2 MB.

Schon ein Jahr vor der Markteinführung des IBM-PC begann Sony mit der Entwicklung der 3-½-Diskette (9 Zentimeter), die zwar in einem festen, also gar nicht mehr "floppy" Gehäuse steckte, aber immer noch so genannt wurde. Sie erschien 1983 als DD-Variante mit 720 bis 880 KByte (abhängig vom jeweiligen PC – jedes Betriebssystem formatierte die physisch identischen Disketten anders und natürlich nicht kompatibel), später gab es auch hiervon eine HD-Variante. Für japanische IBM-PCs hatte die 1,2 MByte, die Version für den Rest der Welt hingegen 1,4 MByte. Im BIOS älterer Computer findet sich die entsprechende Umschaltmöglichkeit. Bevor Transfers über Telefonleitungen und Internet den Versand von Datenträgern ablöste, sorgte diese Besonderheit für viel Frust in international tätigen Unternehmen. Auch der erste Mac von Apple kam mit diesem Laufwerkstyp – was Firmengründer Steve Jobs anfangs aber nicht wusste.

Neben den verbreiteten Floppys warfen die Hersteller in rauen Mengen Sonderformate auf den Markt. Die eine Zeit lang populären PCs von Amstrad und Schneider hatte eigene 3-Zoll-Disketten (7,6 Zentimeter), für analoge Standbildkameras kam eine besonders kompakte 2-Zoll-Diskette (5 Zentimeter) auf.

Unumstritten sind die Verdienste von IBM und Alan Shugart übrigens nicht: Der Japaner Nakamatsu Yoshirō, der sich selbst als die jüngere Ausgabe von Thomas Edison sieht, will bereits 1952 eine Art Diskette patentiert haben und behauptet, 1979 rund ein Dutzend Patente an IBM lizenziert zu haben, was IBM bestätigt – die Diskette sei aber nicht darunter. IBM seinerseits zockte Mitte der 1990er PC-Schrauber mit Trivialpatenten rund um die Diskette ab.

Bevor es Alternativen gab, entlockten Tüftler Floppys mit Tricks mehr Platz: Mit speziellen Formatierprogrammen kitzelte man 2 MByte statt 1,4 MByte aus den Scheiben; die letzten Versionen von MS-DOS und Novell-DOS brachten mit DoubleSpacc/DriveSpace beziehungsweise Stacker Programme mit, die Daten in Echtzeit und fürs Betriebssystem transparent komprimierten – auch auf Diskette.

Bis zu ihrem Aussterben war die 3-½-Zoll-Diskette mit 1,4 MByte de-facto-Standard, je nach Zählweise buhlten aber mehr als ein Dutzend Formate nach ihr um die Gunst des Publikums. Dass es von der 3-½ -Zoll-Floppy eine kaum beachtete 2,88-MByte-Variante gab – geschenkt. Dass Sony Anfang der 1990er erfolglos versuchte, seine für digitales Audio entwickelte MiniDisc auch als Datenträger zu vermarkten – geschenkt. Die wegen notorischer Unzuverlässigkeit beerdigten LS-Laufwerke (äußerlich eine Diskette, aber mit 120 MByte Kapazität) und die aus demselben Grund gescheiterte Sony-HiFD (200 MByte) kennen jüngere PC-Nutzer gar nicht mehr.

Iomegas mit 100 MByte (später 250 und 750 MByte) gestartetes Zip-Laufwerk hingegen war ein paar Jahre sehr erfolgreich. Hätten die Verfechter der zu dieser Zeit ebenfalls angebotenen magneto-optischen ("MO")-Discs sich nicht nur auf professionelle Anwender beschränkt, sondern auch private PC-Nutzer adressiert – vielleicht hätte es Zip schwerer gehabt. So fanden sich diese Datenträger in Arztpraxen und Anwaltskanzleien, im Vor-Internetzeitalter unbemerkt von der Masse der Konsumenten.

Ein Laufwerk mit 8-Zoll-Diskette von Qume.

(Bild: Michael Holley, gemeinfrei)

Zum Totengräber all dieser Wechselmedien wurde aber die Compact Disc. Zunächst ebenfalls als Audio-Medium konzipiert, erkannte die Industrie schnell ihren Wert als Datenträger. Mit zunächst 650, später 700 MByte Speicher überflügelte sie Mitte der 1990er alle Floppys und die meisten verfügbaren Festplatten. Als Verteilmedium für Software waren und sind die Plastikscheiben unschlagbar billig und schnell herzustellen, Mitte der 1990er fielen auch die Preise für bespielbare Medien und Brenner in erschwingliche Regionen. Apple reagierte auf diesen Trend als erster Hersteller und strich am iMac das Diskettenlaufwerk, was 1998 keineswegs Begeisterungsstürme hervorrief. Erst ab Mitte der Nuller Jahre verschwanden die Gerätschaften auch aus IBM-kompatiblen PC; CDs und DVDs ihrerseits sind dank USB-Sticks und Speicherkarten mit Kapazität im 100er Gigabyte-Bereich eine aussterbende Spezies.

Sony beendete 2010 die Diskettenproduktion, Verbatim hielt noch etwas länger durch. Wer tatsächlich noch wichtige Daten auf den antiquierten Medien hortet, sollte sie schleunigst auf neuere Datenträger kopieren. Zwar verfallen die Discs nicht zwangsläufig – aber ein kleiner Test mit einem Zehnerpack aus dem noch nicht entsorgten Fundus des Autors zeitigte zwei nicht mehr lesbare Exemplare.

Dass der Umstieg nötig ist, realisierte auch die US-Luftwaffe, die bis weit in die 2010er Jahre ihre Atomraketen mit 8-Zoll-Floppys steuerte – 2019 hielten SSDs Einzug.

(dahe)