Geruchsloser Dünger aus Urin

Klingt anrüchig, liefert aber sauberen Dünger: In Afrika wird Urin per Trenntoilette wiederverwendet.

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  • Leonie March

Klingt anrüchig, liefert aber sauberen Dünger: In Afrika wird Urin per Trenntoilette wiederverwendet.

Tomfuti Dube sitzt vor ihrem kleinen Haus am äußersten Rand der Hafenmetropole Durban. In den grünen Hügeln grasen Kühe, Wellblechdächer glänzen in der Sonne. "Während der Apartheid gab es hier weder Strom noch fließend Wasser oder funktionierende Toiletten", sagt sie. Die Menschen mussten ihr Geschäft in unhygienischen Plumpsklos oder unter freiem Himmel verrichten. Doch mittlerweile besitzt jeder Haushalt ein kleines Klohäuschen.

In Zukunft dürften sie weit mehr als nur Orte der Notdurft sein. Die Toiletten sollen den Rohstoff für Dünger liefern. Gemeinsam mit dem Schweizerischen Wasserforschungsinstitut Eawag hat die Stadt ein System entwickelt, Nähr- und Mineralstoffe aus Urin zu gewinnen. Ende März ging die fünfjährige Pilotphase des Projekts Vuna zu Ende. Es sei ein großer Erfolg gewesen, sagt Projektkoordinator Bastian Etter. "Wir konnten beweisen, dass wir aus Urin wertvollen Dünger herstellen können."

Entstanden ist das Projekt aus einer Notlage. Weil die Wohngebiete für einen Anschluss an die Kanalisation und richtige Spültoiletten zu abgelegen seien, "haben wir uns für sogenannte Trenntoiletten entschieden", sagt Teddy Gounden, zuständig für die Wasser- und Sanitärversorgung in Durban. Fast 90.000 gibt es mittlerweile im gesamten Stadtgebiet. Erst sie machten es möglich, die Dünger-Rohstoffe zu sammeln. In der Kloschüssel werden Kot und Urin durch eine Trennwand in zwei verschiedene Tanks geleitet.

Für das Pilotprojekt haben Stadtangestellte den Urin ausgewählter Haushalte abgeholt und zu einem Prototyp der Aufbereitungsanlage gebracht. Sein Kernstück ist der sogenannte Reaktor: Eine Plexiglasröhre, in der Urin mit runden Plastikteilchen durcheinandergewirbelt wird. Bakterien, die im Klärschlamm vorkommen, siedeln sich auf diesen Teilchen an und verwandeln leicht flüchtiges Ammonium aus dem Urin in stabiles Nitrat, erklärt Etter. "So verflüchtigt sich der Stickstoff nicht, wenn der Urin im zweiten Schritt erhitzt wird." Die Nährstoffe bleiben erhalten, während der üble Geruch verschwindet und potenzielle Pathogene bei 80 Grad Celsius abgetötet werden.

Die größte Herausforderung sei gewesen, stabile Lebensbedingungen für die Bakterien zu schaffen, sagt Etter. Dazu gehören eine ausreichende Sauerstoffzufuhr und ein konstanter pH-Wert. Weiteres Kopfzerbrechen bereiteten dem Umweltingenieur Medikamentenrückstände im Urin. Aktivkohlefilter, die im Labor bereits erfolgreich getestet wurden, sollen bald in die Aufbereitungsanlagen integriert werden.

Der Energieverbrauch für die Nitrifikation liegt bei 50 Wattstunden pro Liter und bei 80 Wattstunden für die anschließende Destillation. Dafür müssen die Abwässer nicht mehr aus den entlegenen Gegenden der Stadt abtransportiert und in die ohnehin schon am Rande der Kapazität arbeitenden Klärwerke gebracht werden. Bislang laufen die Prototypen mit konventionellem Strom aus der Steckdose. Teddy Gounden denkt aber auch über die Nutzung von Sonnenenergie nach.

Am Ende des Verfahrens bleiben drei Prozent eines dunkelbraunen, konzentrierten Flüssigdüngers übrig, der sich leicht lagern und transportieren lässt. Er enthält rund zwei Gramm Phosphor pro Liter, zudem viel Stickstoff und Kalium sowie Spurenelemente wie Zink und Bor. Somit eignet er sich gut für die Landwirtschaft – beispielsweise auf den Feldern der Anwohner. So könnten sie direkt von dem Projekt profitieren.

Mit einer Hürde hatte der Schweizer zu Beginn des Projekts allerdings nicht gerechnet: mit der Skepsis der Bevölkerung. Vor allem ältere Leute hätten Hemmungen gehabt, ihren Urin abzugeben, bestätigt die Projektteilnehmerin Dube. "Sie hatten Angst, dass ihn jemand für schwarze Magie missbraucht." Doch mit entsprechender Aufklärung ließen sich diese Bedenken mittlerweile zerstreuen. Dube würde den Dünger sogar gern auf ihrem eigenen kleinen Feld benutzen.

Nach der erfolgreichen Pilotphase soll das Projekt nun ausgeweitet werden, sagt Teddy Gounden von der Stadtverwaltung. Statt eines großen Reaktors könnten mehrere kleine Anlagen direkt in den Gegenden mit den Trenntoiletten gebaut werden. Die Einheimischen könnten den Betrieb der Anlagen sowie die Abholung des Urins übernehmen. "So würden vor Ort Jobs entstehen." Aber dafür müsse natürlich zunächst sichergestellt werden, dass es einen Markt für diesen Dünger gibt.

In Südafrika laufen erste Gespräche mit Landwirtschaftsfirmen. In Europa ist das Interesse an der Technologie laut Etter ebenfalls groß. Doch Gounden plant schon weiter: Auf den bislang ungenutzten Fäkalien sollen bald Fliegenlarven gezüchtet werden – als wertvoller Eiweißlieferant für Futtermittel. Dann wäre der Kreislauf perfekt. (bsc)