Marktübersicht: Was Wissensmanagementsysteme leisten
TikiWiki: mehr als ein Wiki
Nicht fehlen darf im Test auch TikiWiki. Das Produkt bezeichnet sich ganz unbescheiden als "Wiki mit den meisten Features am Markt", aber die Frage stellt sich, ob diese in einer Wiki-Software wirklich gut aufgehoben sind oder ob die Einhaltung der "One job, one tool"-Regeln nicht vielleicht die bessere Option gewesen wäre. Wie alle Produkte im Vergleich außer Confluence basiert TikiWiki auf quelloffener Software und steht selbst auch unter einer offenen Lizenz. Das Projekt existiert seit 2002. Da wundert es nicht, dass TikiWiki mit den Basiskriterien keine nennenswerten Probleme hat.
Vom internen Aufbau her ähnelt TikiWiki Confluence; eine hierarchische Struktur von Seiten und Unterseiten bietet eine ähnliche Benutzererfahrung wie die "Spaces" bei der kommerziellen Konkurrenz. Eine eigene Suchfunktion gehört ebenfalls dazu, auch wenn eine semantische Suche in TikiWiki unmittelbar nicht zur Verfügung steht. Dafür gibt es aber diverse Compliance-Features: Active-Directory-Anbindung und LDAP sind seit Jahren etabliert, und wer Themes benötigt, kann diese über die Theme-Engine von TikiWiki unkompliziert nutzen. Auf den eingebauten WYSIWYG-Editor sind die Entwickler besonders stolz – im Test vermochte der Autor diese Begeisterung aber nicht zu teilen. Ja, der Editor ist gut und funktional, aber den Editoren der anderen Probanden im Test ist er ganz sicher nicht so überlegen, wie das TikiWiki-Eigenmarketing es suggeriert.
Ohnehin vermitteln die Entwickler den Eindruck, dass sie TikiWiki weniger als zentrales System für Wissensmanagement und eher als eine Art Wiki mit CMS-Funktionen betrachten. Blogseiten lassen sich damit ebenso betreiben wie Foren für den Austausch zwischen Benutzern. Indem es einen Kalender und Eventfunktionen bietet, wildert TikiWiki obendrein im Revier klassischer Groupware. Umfragen und Quizze, die sich zentral erstellen und anzeigen lassen, wirken vor diesem Hintergrund fast schon wie Klamauk.
Damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Was TikiWiki verspricht, hält die Software. Alle Features funktionierten im Test so, wie die Entwickler es versprechen. Doch beim Testen entstand der Eindruck, TikiWiki wolle zu sehr die Eier legende Wollmilchsau sein. Wer die Software nur als Wiki benutzt, schöpft ihre Möglichkeiten nicht aus. Wer alle Funktionen von TikiWiki nutzen will, baut fast zwangsläufig doppelte Infrastruktur auf. Die Zielgruppe ist da nicht ganz klar.
TWiki: Geschmackssache
Auch TWiki ist Open-Source-Software und von den Probanden im Test mit am längsten im Geschäft: Seit 1998 buhlt es um die Gunst der Nutzer. In den vergangenen Jahren hat sich die TWiki-Entwicklung allerdings erheblich verlangsamt: Seit 2018 gilt die Version 6.1.0 als stabil, für die seither keine Updates erschienen sind. Das lässt Zweifel aufkommen, ob die Software noch aktiv gewartet wird. Da passt es auch ins Bild, dass keiner der auf den Webseiten genannten Verantwortlichen bereit war, die Fragen der Redaktion für die Tabelle in diesem Artikel zu beantworten.
Wer mit diesen Bedingungen leben kann, findet in TWiki ein umfassendes Wiki mit Zusatzfunktionen, das sich bei den Basisfeatures keinen Lapsus erlaubt. Seine interne Organisationsstruktur ähnelt stark jener von MediaWiki, orientiert sich also eher an Inhalten denn an einer Hierarchie. Das Abbilden einer Dokumentenhierarchie ist dennoch möglich. Mittels einer eigenen Suchfunktion auf CGI-Basis ermöglicht TWiki die Suche in seinen gespeicherten Inhalten. Auf eine semantische Suche muss die Anwenderin jedoch verzichten.
Kein Mangel herrscht jedoch an Compliance-Features. Nutzer lassen sich aus LDAP oder Active Directory beziehen. Benutzerrechte definiert der Admin auf TWiki-Ebene, sie lassen sich also nicht in externen Systemen festlegen. Themes sind möglich, sie zu erstellen ist jedoch ähnlich komplex wie bei DokuWiki. Ein WYSIWYG-Editor liegt dem Produkt seit vielen Jahren bei, sein Funktionsumfang unterscheidet sich nicht besonders von dem der anderen Kandidaten im Test. Das ist beim Plug-in-Store von TWiki anders: Eine eigene Schnittstelle erlaubt das Nachrüsten von Features, die in der Standardvariante fehlen.
Hier glänzt TWiki mit dem größten Archiv von Erweiterungen und der Existenzberechtigung in diesem Vergleich. Verschiedene Exportformate, der Zugriff auf diverse Datenbankinhalte oder ein Plug-in, mit dem sich Spreadsheets auf Wiki-Seiten erstellen lassen, sind nur ein paar Beispiele. Wer es genauer wissen will, sei auf den TWiki-Plug-in-Store verwiesen, der nur deshalb nicht "App-Store" heißt, weil es den Begriff bei seiner Entstehung noch nicht gab.
Trotz der etwas unklaren Zukunft von TWiki (Download) präsentiert sich das Tool als eine umfangreiche Wiki-Software, die Wissensverwaltung im agilen Umfeld ermöglicht. Erste Wahl wäre sie vermutlich trotzdem nicht, weil die Migration von einem auf ein anderes Wiki-System im Falle eines Falles keinen Spaß macht.