Milch aus dem Bioreaktor: Genetisch veränderte Pilzart macht Molke und Kasein
In den USA können die Menschen demnächst die sogenannte Betterland-Milch testen. Mikroorganismen produzieren dafür das Protein.
Lecker oder eher bäh?
(Bild: Betterland)
- Ben Schwan
Das Sortiment für Veganer erweitert sich: In ersten Märkten kommen Milchgetränke auf den Markt, die nicht von der Kuh stammen. Dabei handelt es sich nicht etwa um pflanzenbasierte Ersatzkost, die es unter anderem aus Soja- und Erbsenproteinen schon länger im Handel gibt und die die Konsistenz und den Geschmack von Milch nur nachahmt. Stattdessen enthalten die neuen Produkte tatsächlich Molke und Kasein.
Bioreaktor statt Euter
Statt aus Kuheutern kommen diese Milchbestandteile aus dem Bioreaktor: Gentechnisch veränderte Mikroorganismen – genauer gesagt eine Pilzart – erzeugen sie im Rahmen eines Prozesses, der sich Präzisionsfermentierung nennt. Die Methode soll an die Vergärung von Hefe zu Alkohol erinnern, die erwünschten Proteine sind Nebenprodukte in dem Prozess und werden ausgefiltert.
Das amerikanische Start-up Perfect Day, das sich auf für Veganer geeignete Milch- und Proteinprodukte spezialisiert hat, konnte für den Vertrieb die Marke Betterland gewinnen. Sie arbeitet seit acht Jahren an diesem und ähnlichen Produktionsprozessen. Die "kuhfreie Milch" soll demnächst in erste US-Ladengeschäfte kommen. Sie wird als "Vollmilch" und "Extra cremig" verkauft.
Klimaschutz und ohne Cholesterin
Die Hersteller betonen, dass ihr Produkt "weniger Wasser und Energie" verbrauche – zumindest bei der Proteinherstellung, was sie grundsätzlich klimafreundlicher machen dürfte. Auch sollen weder Lactose noch Cholesterin in der kuhfreien Milch stecken, die außerdem – schon aufgrund der Erzeugung – ohne Hormone und Antibiotika in der Produktion auskommt. Der Milchzuckeranteil sei 67 Prozent geringer. Milchallergiker können allerdings nicht zugreifen, weil die Proteinstruktur wie erwähnt sehr nah am Original sein soll.
Perfect Day konkurriert mit einer Reihe anderer Unternehmen. So hat die israelische Firma Imagindairy 2021 einen hefebasierten Prozess präsentiert, der ebenfalls Milchproteine erzeugen können soll; auch das Unternehmen Impossible Foods arbeitet seit längerem an kuhfreier Milch.
Sind Imitate wirklich notwendig?
Die kuhfreie Milch soll hier laut Perfect Day sehr ähnliche Eigenschaften wie reguläre Milch haben, etwa auch beim Kochen, Backen und Erhitzen. Der Geschmack sei sogar "besser" als echte Kuhmilch, behaupten die Macher. Die Proteine seien "nahezu nicht zu unterscheiden".
Im Zusammenhang mit dem Trend zum Veganismus sind eine große Zahl neuartiger Produkte auf den Markt gekommen, die häufig Neuveganer ansprechen, die Ersatzprodukte wünschen. Diese sind jedoch oft stark verarbeitet und keineswegs natürlich – und damit auch nicht gesünder als vegetarische oder fleischliche Kost. Wann und ob Perfect Day mit dem Betterland-Produkt auch nach Europa kommt, blieb zunächst unklar.
(bsc)