Schatten für die überhitzte Erde
Schatten für die überhitzte Erde
Denn die Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre steigt schneller, als selbst in den pessimistischen Szenarien des Internationalen Klimarats bisher angenommen wurde: Lag der Anstieg noch in den neunziger Jahren bei etwa einem Prozent pro Jahr, stieg der Zuwachs in den Jahren 2000 bis 2004 jährlich bereits auf drei Prozent. Dieser Anstieg ist vor allem deswegen ein Alarmzeichen, weil das Kohlendioxid, das einer der wesentlichen Verursacher des von Menschen gemachten Klimawandels ist, sehr lange in der Atmosphäre bleibt und sich der Gehalt an CO2 immer weiter aufsummiert.
Rund die Hälfte des von Menschen durch Verbrennung fossiler Brennstoffe jemals erzeugten Kohlendioxids befindet sich noch immer in der Atmosphäre. Mit den entsprechenden Folgen: Vor 1800, dem Beginn der sogenannten industriellen Revolution, fanden sich rund 280 Teile CO2 pro Millionen Moleküle (ppm) in der Atmosphäre – insgesamt entspricht das etwa 586 Gigatonnen Kohlenstoff. Heute belaufen sich die Zahlen auf über 380 ppm oder rund 790 Gigatonnen. Selbst wenn wir die CO2-Emission auf einem Niveau stabilisieren wollten, das doppelt so hoch ist wie vor der industriellen Revolution – dieses Niveau liegt ein Grad über dem Schwellwert für eine gefährliche Erwärmung –, müssen wir alle zukünftigen Emissionen auf rund 600 Gigatonnen begrenzen. Das entspricht rund sechs Gigatonnen pro Jahr – zurzeit sind wir bereits bei etwa acht Gigatonnen mit weiter steigender Tendenz.
Wenig verwunderlich also, dass Wissenschaftler wie Paul Crutzen vor allem nach einer schnellen Lösung suchen. Dass es die durchaus geben könnte, hat der Vulkan Pinatubo auf den Philippinen 1991 gezeigt: Bei seinem Ausbruch schleuderte der Vulkan nicht nur Lava und Felsbrocken auf die Insel, sondern blies auch geschätzte 10 bis 20 Millionen Tonnen Schwefeldioxid bis in die zehn Kilometer hohe Stratosphäre. Es reduzierte die Sonneneinstrahlung um etwa zwei Prozent mit dem Ergebnis, dass sich die Oberfläche der Erde im folgenden Jahr um 0,5 bis 0,8 Grad Celsius abkühlte.
Wie viel Schwefel nötig wäre, um eine Verdopplung des CO2-Gehaltes in der Atmosphäre zu kompensieren, ist umstritten: Tom Wigley vom National Center for Atmospheric Research (NCAR) der USA glaubt, dass man fünf Millionen Tonnen Schwefel brauchen würde. Paul Crutzen und Philip J. Rasch hingegen hatten berechnet, dass 1,5 Millionen Tonnen ausreichen – wenn man kleinere Teilchen nimmt als die, die von Vulkanen ausgestoßen werden.
"Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Zeug da hochzubringen. Das ist nur eine Frage der Kosten – kein technisches Problem", sagt Caldeira. "Der Vorteil von Schwefel ist, dass Schwefeldioxid unter Druck flüssig wird. Man könnte es als Flüssigkeit hochpumpen, sich als Gas ausbreiten, oxidieren und dabei kleine Partikel bilden lassen." Kosten würde dieser Rettungsplan lediglich zwischen 20 und 50 Milliarden Dollar – verglichen mit den zwei bis drei Prozent des weltweiten Bruttoinlandsproduktes (rund 1000 Milliarden Dollar), die laut dem 2006 veröffentlichten Stern-Report für die Emissionsminderung und einen Umbau der Energieversorgung zu zahlen wären, ein echtes Billigangebot. Als gefährlichste mögliche Nebenwirkung einer solchen Kur gilt allerdings die Entstehung eines neues Ozonlochs: Die Ozonschicht, die uns vor dem energiereichen ultravioletten Licht der Sonne schützt, wird von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) angegriffen. Zwar werden diese FCKW seit dem Montreal-Protokoll von 1987 international nicht mehr verwendet, aber ein Teil dieser Stoffe ist noch immer in der Atmosphäre – und die Abbaureaktion der Ozonschicht geschieht bevorzugt in Anwesenheit von Schwefelsäure. Das SO2 in der Stratosphäre könnte also erneut zu einem Abbau von Ozon führen. Simone Tilmes, ebenfalls Klimaforscherin am NCAR, warnt deshalb: Bis zu 30 Prozent der Ozonschicht könnte bei einer solchen Aktion abgebaut werden.