Schatten für die überhitzte Erde
Schatten für die überhitzte Erde
Dazu kommt: Der Schwefel hält sich nur für ein oder zwei Jahre in der Stratosphäre – muss also permanent nachgeliefert werden. Experten nennen das ein "Damokles-Szenario": "Stellen Sie sich vor, wir machen weiter wie bisher, bis wir keine Kohle, kein Öl und kein Gas mehr haben. Dann sind wir bei wenigstens fünf Grad Erwärmung gegenüber vorindustriellen Temperaturen", erklärt Levermann. "Wir kühlen aber mit Aerosolen runter, sodass die Temperaturen vorindustriell bleiben. Und nun gibt es irgendeinen Grund, dass dieser Mechanismus stoppt – Krieg oder so. Dann schießen die Temperaturen innerhalb weniger Jahre um fünf Grad in die Höhe. Das ist wie ein Hammerschlag auf den Amboss. Niemand weiß, was dann passiert."
Statt die Sonneneinstrahlung zu dämpfen, sollte man daher vielmehr das Übel an der Wurzel packen, indem das Kohlendioxid aus der Luft geholt wird, argumentieren andere Wissenschaftler. Dazu empfehlen sie eine Düngung der Weltmeere, damit mehr Algen CO2 aufnehmen. Sterben die Algen ab und sinken auf den Meeresgrund, würde so ein Teil des aufgenommenen CO2 für lange Zeit aus dem Kohlenstoff-Kreislauf entfernt. Das US-Unternehmen Planktos wollte Gewässer vor den Galapagos-Inseln düngen und dafür CO2-Ausgleichszertifikate verkaufen – musste seinen Betrieb allerdings im Februar 2008 aus finanziellen Gründen einstellen. Mit Climos und der australischen Ocean Nourishment Corporation (ONC) existieren aber noch zwei ähnliche Unternehmen: Climos will frühestens 2009 einen Feldversuch starten, ONC hat nach eigenen Angaben sogar die Genehmigung für einen Versuch vor der Küste der Philippinen.
Zurzeit schlucken die Weltmeere rund zwei Gigatonnen Kohlenstoff pro Jahr – ein Teil davon wird im Wasser gelöst, ein Teil von Algen aufgenommen. Wie viel auf das Konto der "biologischen Pumpe" geht, ist allerdings nicht klar. Und damit bleibt auch der Effekt einer Düngung Spekulation: Frühe Modellrechnungen haben ergeben, dass mit Eisendüngung 50 bis 100 ppm CO2 aus der Atmosphäre zu holen wären – neue Simulationen, die mehr biochemische Prozesse berücksichtigen, zeigen eher einen Effekt in der Größenordnung von zehn ppm.
Immerhin: Rund ein Viertel der Ozean-Oberflächengewässer sind reich an Nitraten oder Phosphaten, aber arm an Biomasse, schreibt der britische Meeresforscher John Shepherd, der die Geo-Engineering-Kommission der Royal Society leitet, in einer Sonderausgabe der Fachzeitschrift "Philosophical Transactions". Setzt man diesem Wasser sogenannte Mikro-Nährstoffe wie Eisen zu, entwickelt sich eine intensive Algenblüte: "Seit 1993 sind zwölf Experimente mit Eisendüngung durchgeführt worden. Alle Experimente haben einen signifikanten Effekt auf das Wachstum des Phytoplanktons gezeigt. Der Netto-Export von Kohlenstoff in tiefere Meeresschichten durch abgestorbenes Plankton ist jedoch in keinem dieser Experimente gemessen worden", schreibt Shepherd. Über die Kosten und den Energieaufwand dieser Methode gäbe es zudem "keine seriösen Untersuchungen". Ebenso wenig zu den möglichen Nebenwirkungen: Kritiker dieser Methode befürchten, es könne zur Ausbildung extrem sauerstoffarmer Zonen am Meeresgrund kommen, genauso wie zu einer explosionsartigen Vermehrung giftiger Algen.
Solche Nebenwirkungen völlig vermeiden könnte eine Methode, die auf den Weltraum ausweicht, sagen Jerome Pearson, John Oldson und Eugene Levin vom US-Unternehmen "Star Technology and Research". Sie wollen die Erde ganz ernsthaft mit einem oder mehreren Ringen – ähnlich denen um den Saturn – abschatten, um sie zu kühlen: In einem 2006 in der Fachzeitschrift "Acta Astronautica" veröffentlichen Aufsatz rechnen die drei Wissenschaftler detailliert vor, dass dieser Trick tatsächlich funktionieren könnte. Läge der Ring auf einer Umlaufbahn, die zwischen 1,2 und 1,8 Erdradien groß ist, um den Äquator, und bestünde er aus Teilchen, die im Schnitt einen Durchmesser von einem halben Millimeter haben, würde man damit die wärmsten Teile der Erde am effektivsten kühlen: nach Berechnungen mit einem einfachen, eindimensionalen Klimamodell um zwischen 1,1 und 1,6 Grad Celsius. Zwei "Schäferhund-Asteroiden" auf der äußeren und inneren Umlaufbahn würden das allmähliche "Ausfransen" der Ringe durch gegenseitige Anziehung der Partikel oder zufällige Kollisionen drastisch vermindern – der Ring sollte für rund tausend Jahre halten. Um den Ring zu erzeugen, müsste man allerdings rund 2x1014 Kilogramm Gestein in die Umlaufbahn bringen.