Systemmanagement im alten Ägypten

Systemmanagement im alten Ägypten

Inhaltsverzeichnis

„Unsere Simulation zeigt, dass sechs Arbeiter zum Anheben ausreichten“, sagt Richard Breitner. „Der gesamte Drehvorgang ließ sich in nur einer Minute durchführen.“ Gemäß der Simulation hätte ein kontinuierlicher Schichtbetrieb, in dem jeweils zehn Teams gleichzeitig agierten, genügt, die restlichen Arbeiten innerhalb von sechs Jahren abzuschließen. Die Fassaden an den Eckwendeplätzen wurden dann erst ganz am Ende geschlossen.

Könnte der Architekt Houdin damit tatsächlich die Erklärung gefunden haben, an der sich Archäologen jahrzehntelang die Zähne ausgebissen haben? Tatsächlich kommentieren manche die Hypothese äußerst wohlwollend. „Houdins Theorie ist nicht nur interessant, sie ist kohärent und revolutionär“, urteilt Rainer Stadelmann, der frühere Direktor des Deutschen Archäologischen Instituts in Kairo. Das liege vor allem daran, dass Houdin die Fähigkeiten der Ägypter ernst genommen, sie als Ingenieure gesehen habe. „Die Theorie verdient, genauer untersucht zu werden, weil Houdin einen rigoros wissenschaftlichen Ansatz gewählt hat“, sagt auch der Ägyptologe Bob Brier. Denn im Unterschied zu vielen anderen lässt sich Houdins Hypothese widerlegen – nämlich dann, wenn die innere Rampe nicht gefunden werden kann.

Zahi Hawass, Generalsekretär des Supreme Council of Antiquities in Kairo – es hat die Aufsicht über die Pyramiden –, hat zwar beträchtliche Zweifel, räumt aber gegenüber der New York Times ein, dass Houdin zumindest kein „Pyramidiot“ sei, wie er die zahlreichen Hobbytheoretiker vom Schlage eines Erich von Däniken nennt. Hawass muss nun die Genehmigung für die nächste Phase geben: Die Untersuchung der Cheops-Pyramide vor Ort auf eventuelle Hohlräume, die auf die Existenz der inneren Rampe hindeuten. Hierzu hat Houdin bereits eine Non-Profit-Organisation gegründet. Stadelmann und Brier werden Teil des wissenschaftlichen Teams sein.

Die Chancen, dass die Forscher fündig werden, stehen nicht so schlecht. Denn bereits 1986 machte ein französisches Team, das von Electricité de France gesponsert war, eine ungewöhnliche Entdeckung. Auf der Suche nach einer weiteren geheimen Kammer nahmen sie mit Hilfe der so genannten Mikrogravimetrie nichtinvasive Dichtemessungen am Gesteinskörper der Cheops-Pyramide vor, die eventuelle Hohlräume zeigen sollten. Die Kammer fanden sie zwar nicht – dafür aber eine spiralförmige Zone geringerer Dichte, die sich von den Rändern bis zur Spitze hinaufzieht. Zudem zeigen Luftaufnahmen der Pyramide in einer Kante Einbuchtungen, die von eingestürzten Hohlräumen hinter der Fassade herrühren könnten. Möglicherweise handelt es sich dabei um Überreste jener Eckbuchten der inneren Rampe, an denen die Blöcke um 90 Grad gedreht wurden.

Sollte Houdins Expedition erfolgreich sein, wäre das nicht nur eine wissenschaftliche Sensation. Es würde auch die Geschichte der Technik im Altertum in einem anderen Lichte erscheinen lassen. „Die Ägypter waren bereits vor 4500 Jahren zu einer detaillierten Planung eines technischen Großprojektes fähig“, ist sich Houdin sicher. Ganz ohne Software.

Eine 3D-Darstellung von Houdins Theorie befindet sich hier. Die Darstellung erfordert ein Virtools-Plugin. (nbo)