Web2.0-Konferenz: Im Info-„Dreck“ nach Gold graben

Web2.0-Konferenz: Im Info-„Dreck“ nach Gold graben

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Ebenso verhandelt Google mit traditionellen Medienkonzernen, um den Übergang von der Offline-Welt zu Webdiensten so einfach wie möglich zu machen. Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt die Branche offene Fragen rund um Urheberrechte und Werbeeinnahmen für YouTube. Die Seite für Videosharing, die Google gerade für 1,65 Milliarden Dollar gekauft hat, ist der neueste Beleg, dass so genannte „Nutzer generierte Inhalte“ die Web-Wirtschaft beflügeln. „Wir sprechen mit so vielen Firmen wie möglich, um Partnerschaften aufzubauen“, verriet Google-CEO Eric Schmidt den Konferenz-Teilnehmern. „Wir haben dank unserer anderen Geschäftsbereiche eine ziemlich gute Idee, wie wir den Verkehr auf YouTube monetarisieren können.“ Er wies Berichte als „unwahr“ zurück, dass knapp ein Drittel des Kaufpreises als „Schweigegeld“ für prozessierfreudige Medienkonzerne vorgesehen sei.

Neben den brisanten Video-Verhandlungen hat Google gerade Deals mit rund 50 amerikanischen Tageszeitungen unterzeichnet, sodass auch Kleinkunden ihre Inserate wahlweise im Web oder auf Papier schalten können, und baut einen Werbdienst für Radiosender im ganzen Land auf. Die Platzierung von Anzeigen rund um Web-Texte ist inzwischen zu einem Standard geworden, an dem alle Parteien verdienen. So teilen Google und Yahoo rund 30 Prozent ihres Umsatzes mit Partnern – von kleinen Bloggern bis zu großen Webseiten. Offene Schnittstellen und Millionen von Blogs, dank deren sich Inhalte wie ein Lauffeuer ausbreiten, stellen für die alte Medienwelt jedoch „keine Gefahr“ dar, sagte der Herausgeber der New York Times, Arthur Sulzberger Jr. So sei Google inzwischen der mit Abstand größte Geschäftspartner des Zeitungsimperiums.

Eine der großen ungelösten Fragen, die über allen Diskussionen auf dem Web2.0-Gipfel schwebte, ist die Suche nach tragfähigen Geschäftsmodellen. Anzeigenmodelle für Video- und Audioinhalte, die entweder Medienkonzerne servieren oder Nutzer selber hochladen, sind erst im Entstehen begriffen, da weder das Format noch die Platzierung der Annoncen geklärt sind.

„Bessere gezielte Werbung ist einer der drei großen Trends für Web2.0“, sagte Toni Schneider, CEO von Automattic, Anbieter des Blog-Dienstes WordPress. Seine vorherige Firma Oddpost, die einen dynamischen Web-Mail-Klienten entwickelt hatte, wurde Mitte 2004 von Yahoo! gekauft. „Wir waren die erste Web2.0-Akquisition, bevor der Begriff überhaupt geprägt war“, so Schneider. Er startete anschließend das Entwicklernetzwerk beim neuen Eigentümer Yahoo! und öffnete ab 2005 die ersten Programmschnittstellen der Suchmaschine.

Heute experimentiert Yahoo! mit allen möglichen Modellen, um Inhalte von Nutzern für Nutzern aufzubereiten und offline wie online zu Geld zu machen. Ein Beispiel ist der Videoblog „The 9“, bei dem neun kurze Clips in neun Minuten vorgestellt werden. Der virtuelle Fernseher, den zwei Monate nach dem Start knapp sieben Millionen Zuschauer verfolgen, ist dabei in Hitparaden, Links, Kommentare und Sponsoren-Werbung eingebettet.

Gleichzeitig hat das Unternehmen gerade eine 2.000 Quadratmeter große Bühne in Los Angeles gebaut, auf der Stars Exklusivkonzerte geben werden. Diese von Nissan gesponserten „Music Live“-Events werden nicht nur für HD-TV aufgezeichnet, sondern sollen insbesondere von 250 Zuschauern auf Kamera-Handys mitgeschnitten und fotografiert werden – kostenlose Inhalte, mit denen Yahoo! sein Imperium von Webseiten bevölkern und neue Surfer sowie Anzeigenkunden anziehen kann. „Wir wollen von einer Hierarchie der Teilnahme zu einer Welt der zufälligen Künstler gelangen“, so Yahoo-Manager Eckart Walther.

Neben den nutzerbezogenen Anwendungen verdient die Arbeit hinter den Kulissen mindestens genauso viel Beachtung. Mehrere große Firmen sind dabei, eine umfangreiche IT-Infrastruktur aufzubauen, um anderen Unternehmen beim Servieren von Web-Diensten zu helfen. Einen Einblick in Amazons Strategie als Web2.0-Dienstleister gab Gründer und CEO Jeff Bezos. Obwohl das Unternehmen als Pionier im Online-Einzelhandel und als Marktplatz für externe Händler bekannt wurde, offeriert Amazon inzwischen zehn Web Services.

„Wir sind seit elf Jahren in einem Geschäft mit großem Volumen und geringen Margen. Wir wissen, wie man skalierbare und verlässliche Web-Dienste betreibt“, sagte Bezos. So vermietet Amazon ungenutzte Kapazitäten auf seinen Servern als „Simple Storage Service“ (S3) und „Elastic Compute Cloud“ (EC2). Mit letzterem Dienst kann jedermann die Rechenleistung eines mit 1,75 Gigahertz getakteten Computers für zehn Cent die Stunde mieten. „Wir übernehmen die diffuse Schwerarbeit und kümmern uns um den Dreck“, umriss Bezos das Angebot.

Darüber hinaus kümmert sich Amazon um den automatisierten Vertrieb für Dritte. Sein Fulfillment-Service erlaubt es jedem Nutzer, eine Inventarliste über eine offene Schnittstelle auf dessen Rechner zu überspielen und anschließend die Waren an eines der Amazon-Lagerhäuser zu schicken. Der Verkauf mag irgendwo im Web stattfinden, aber sobald ein Käufer klickt, geht eine automatische Nachricht an Amazon, das sich um Verpackung und Versand kümmert.

„Damit werden unsere 930.000 Quadratmeter Lagerfläche zu einem Peripheriegerät für alle Programmierer – für 45 Cent pro Kubikfuß im Monat“, sagte Bezos. Er erwartet, dass solche Webdienste in absehbarer Zukunft einen bedeutenden Anteil an Amazons Umsatz ausmachen werden. Zu den Service-Kunden des wandlungsfähigen Buchhändlers gehören bereits Microsoft, Xerox Global Services und die virtuelle Welt Second Life.

Wer seine Millionen Nutzer geschickt nutzt, muss nicht einmal eine Infrastruktur-Armada aufbauen oder für ihren Einsatz bezahlen. Während Google mehrere hunderttausend Server betreibt, hat der populäre VoIP-Dienst Skype aufgrund seiner dezentralen P2P-Struktur gerade einmal zwei eigene Server. Er wickelt über die PCs seiner Benutzer die Anrufe und Chats von 136 Millionen Kunden ab. Verglichen mit herkömmlichen Telekomfirmen wäre Skype gemessen am Volumen internationaler Anrufe der weltweit drittgrößte Anbieter nach China Mobile und Vodafone, so Mary Meeker von der Investmentbank Morgan Stanley.