Zahlen, bitte! Point Nemo – Raumschiff-Friedhof am abgelegensten Punkt der Erde
2688 km von den nächsten Landmassen entfernt, liegt mitten im Pazifik "Point Nemo" – aufgrund seiner Lage auch beliebtes Endlager für Raumfahrzeuge.
- Volker Zota
Wer mal einen richtig einsamen Urlaub verbringen will, lässt sich mitten im Pazifik bei den Koordinaten 48° 52′ 31,75″ S, 123° 23′ 33,07″ W irgendwo zwischen Chile und Neuseeland absetzen. Von dort aus sind es 2688 km zur nächsten Insel oder größeren Landmasse. Besonders gastlich ist "Point Nemo" allerdings nicht: Aufgrund der großen Entfernungen zum Land handelt es sich um einen der biologisch inaktivsten Orte der Welt. Dafür ist die Chance umso größer, hier ein Raumschiff auf den Kopf zu bekommen.
Denn wegen seiner Abgelegenheit und der geringen Wahrscheinlichkeit von Schiffsverkehr ist hier auch der beste Platz, um Raumschiffe und Satelliten aus erdnahem Orbit kontrolliert zum Absturz zu bringen – Satelliten aus erdsynchronen Umlaufbahnen werden hingegen in den höhergelegenen Friedhofsorbit geschickt und bilden eine künstliche Hülle aus Weltraumschrott.
Wäre er nicht so weit entfernt, wäre Point Nemo ein fantastisches Ausflugsziel für Taucher, die ein Faible für etwas andere Wracks (und Tiefseeausrüstung dabei) haben. Hier könnte man der russischen Raumstationen Salyut 1 bis 6 und der Mir einen Besuch abstatten, aber auch zahlreichen anderen. Bis 2016 wurden hier über 260 Weltraumfahrzeuge verklappt.
Ort mit vielen Namen
Point Nemo hat seinen Namen aus dem Lateinischen (nemo = keine(r), niemand) respektive in Anlehnung an den berühmten Kapitän Nemo der Nautilus aus den Romanen von Jules Verne erhalten. Das ist aber längst nicht die einzige Bezeichnung für den abgelegensten Ort im Meer. Er ist auch als Wasserpol, Pol der Unerreichbarkeit, Unzugänglichkeitspol oder – wissenschaftlicher – als Pazifischer Pol der Unzugänglichkeit bekannt (Pole of InAccessibility, PIA).
Andere Unzugänglichkeitspole
Nord- und Südpol sind schon aufgrund der vorherrschenden Witterung ziemlich unwirtlich, doch es geht noch unzugänglicher. Während der Nordpol der Unzugänglichkeit rund 770 km vom geographischen Nordpol entfernt (noch) im Packeis liegt und wie Point Nemo die weiteste Entfernung von Landmassen auf der Nordhalbkugel darstellt, befindet sich der Südpol der Unzugänglichkeit 463 km vom geographischen Südpol in über 3.700 m Höhe, zwischen Amerkanischem Hochland und Polarplateau auf der eisbedeckten Landfläche der Antarktis. 1958 errichteten dort sowjetische Forscher passenderweise die Forschungsstation Полюс недоступности (Poljus Nedostupnosti = Pol der Unzugänglichkeit) und stellten – wie sollte es anders sein – eine Lenin-Büste auf.
Doch solche Punkte gibt es nicht nur an den Polkappen, sondern auch auf jedem Kontinent, wo sie – wie beim Südpol der Unzugänglichkeit – die am weitesten vom Wasser entfernten Punkte sind: So liegt der Eurasische Unzugänglichkeitspol (Eurasian Pole of InAccessibility, EPIA) im nordwestlichen China und markiert den Punkt, der am weitesten von einem Weltmeer entfernt ist (rund 2510 km). Ungewöhnlicherweise gibt es im Rahmen der Messgenauigkeit der Küstenlinien hierfür zwei Kandidaten: EPIA1 bei den Koordinaten 44° 17′ 24″ N, 82° 11′ 24″ O und EPIA2 bei 45° 16′ 48″ N, 88° 8′ 24″ O. (vza)