Corona-Tracking-Apps mit PEPP-PT: "Entscheidend ist für uns, dass der Datenschutz gewährleistet wird"
PEPP-PT, die Referenzimplementierung für Corona-Warn-Apps, soll sich laut Projekt-Mitgründer Chris Boos in der finalen Projektphase befinden.
(Bild: iko / Shutterstock.com)
- Christiane Schulzki-Haddouti
Auf Basis des Projekts PEPP-PT (Pan European Privacy Protecting Proximity Tracing) soll es ab Mitte April eine oder mehrere Apps in Deutschland geben, mit denen Nutzer mittels Bluetooth-Technik feststellen können, ob sie sich in der Nähe einer erwiesenermaßen positiv getesteten Corona-infizierten Person aufgehalten haben, die ebenfalls das System nutzt. PEPP-PT liefert eine Referenzimplementierung, auf deren Basis dann verschiedene Apps rasch aufgebaut werden können. Der Quellcode der Lösung soll unter der Open-Source-Lizenz der Mozilla Foundation veröffentlicht werden.
Mehrere Apps auf Basis von PEPP-PT
Ursprünglich wollte die Projektgruppe ihre Plattform Anfang der Woche der Presse im Detail vorstellen. Doch der Termin wurde erst einmal verschoben, weil zuvor noch die laufenden Penetrationstests abgeschlossen werden sollen, teilte Chris Boos heise online mit. Er ist Mitinitiator von PEPP-PT und Gründer des Frankfurter Unternehmens Aarago. In Grundzügen ist das Projekt inzwischen bekannt, doch noch sind zahlreiche Details ungeklärt.
Heise online konnte jedoch vorab mit Boos einige Fragen klären. Boos geht demnach davon aus, dass es in Deutschland mehrere Apps geben wird: "Eine wird vom Robert-Koch-Institut kommen, ein andere von der Initiative 'gemeinsam gesund', es könnten aber auch noch andere hinzukommen." Boos geht dennoch davon aus, dass es in Deutschland eine zentrale Lösung geben wird, weil die gesetzlichen Vorgaben die Koordinierung über eine zentrale Stelle vorsehen. Jede App muss sich von dem PEPP-PT-Konsortium zertifizieren lassen.
Die Corona-Warn-Apps auf Basis der PEPP-PT-Plattform können je nach Land verschiedene Funktionalitäten enthalten, wie etwa einen Kontakt zu den Gesundheitsämtern. "Wie das ausgestaltet werden wird, wird jedes Land entsprechend seiner gesetzlichen Regelungen für sich entscheiden", erklärt Boos. Entscheidend sei, dass ohne die freiwillige Einwilligung der Nutzer keinerlei Daten übertragen werden. Er weist jedoch auch darauf hin, dass es sich in Deutschland bei Covid-19 um eine meldepflichtige Erkrankung handelt. Die Betroffenen sind also verpflichtet, sich persönlich bei ihrem Gesundheitsamt zu melden. "Dies kann möglicherweise über eine App abgebildet werden", sagt Boos.
Wechselnde ID-Nummern
Die Distanzdaten werden auf Bluetooth-Basis erfasst und lokal auf dem Gerät ausgewertet. Diese Daten werden nicht auf einem Server gespeichert, aber mit der ID-Nummer des Nutzers verknüpft. Die ID-Nummer wird nicht mit weiteren Daten wie etwa der E-Mail-Adresse oder der Handynummer verbunden. "Es handelt sich um eine Anonymisierung, nicht um eine Pseudonymisierung der Daten", betont Boos. Die ID-Nummer, die in den Handys gespeichert wird, wird im Moment vom System mindestens alle 30 Minuten ausgetauscht. Der Handybesitzer kann also mit dieser Information seine Infektionskette nicht nachverfolgen und andere identifizieren. Mit den erfassten Distanzdaten können im Falle eines positiven Tests andere Nutzer über ihre ID-Nummer informiert werden.
Wie dieser Informationsprozess erfolgt, ist noch nicht klar, unterschiedliche Lösungswege sind denkbar. Beispielsweise könnte die Information über mehrere Schritte durch das Gesundheitsamt erfolgen, wobei die Anonymisierung erhalten bleibt. "Applikationen, die die PEPP-PT Plattform nutzen, können nicht direkt mit dem Benutzer in Kontakt treten, sondern quasi für den Benutzer Nachrichten hinterlegen, die dieser dann abrufen kann", stellt Boos klar. Damit bleibe die Anonymität gewahrt. Diese Mitteilungen laufen über die PEPP-Plattform, wobei niemals bekannt ist, wer hinter der ID-Nummer steckt.
Datenschutz gewährleisten
"Entscheidend ist für uns, dass der Datenschutz gewährleistet wird", sagt Boos. Deshalb habe das Projekt Sicherheitsexperten eingeladen, Penetrationstests zu fahren. "Dabei geht es nicht nur um Fragen der IT-Sicherheit wie der Vertraulichkeit, sondern natürlich um Fragen des Datenschutzes wie der Nicht-Verkettbarkeit", erklärt Boos und sagt: "Wenn wir so weit sind, stellen wir unsere Plattform vor. Das muss jetzt sitzen, sonst könnte Vertrauen verspielt werden. Ohne die Akzeptanz der Nutzer funktioniert das Ganze aber nicht."
An einer Datenschutzfolgenabschätzung wird gerade gearbeitet und die Projektbetreiber gehen davon aus, dass der Bundesdatenschutzbeauftrage wie auch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik die Lösung prüfen und testen werden. "Wir legen großen Wert darauf, dass alles DSGVO-konform und sicher ist,“ sagt Boos.
Begeisterung und Skepsis
Der Internetverband eco kündigte an, den Einsatz einer datenschutzkonformen Tracking-App unterstützen zu wollen. Er hat der Bundesregierung angeboten, die Verbreitung und Bewerbung der noch in der Entwicklung befindlichen App im Rahmen einer gemeinsamen Kampagne mit anderen Verbänden und Organisationen zu unterstützen. Dazu laufen derzeit Gespräche mit dem Bundeswirtschaftsministerium und weiteren Partnern. "Hier ist es von zentraler Bedeutung, dass wir zeitnah alle Stakeholder an den Tisch bekommen", erklärte der eco-Vorstandsvorsitzende Oliver J. Süme. Er will einen entsprechenden Konzeptvorschlag für "ein breites Bündnis von Politik, Digitalwirtschaft und Zivilgesellschaft gegen Corona" unterbreiten.
Der Bielefelder Bürgerrechtsverein Digitalcourage hat auf Basis des aktuellen Kenntnisstands eine vorläufige Bewertung der PEPP-PT-Apps vorgestellt. Er weist unter anderem darauf hin, dass der Einsatz von Bluetooth mit IT-Sicherheitsproblemen einhergehen kann, da die Technik "chronisch unsicher" sei. Außerdem könnte eine App viele Alarme auslösen, die bei den Betroffenen zu einer Alarm-Müdigkeit führen könnte. Digitalcourage weist außerdem darauf hin, dass unter Android eine Nutzung der Bluetooth-Schnittstelle nur erlaubt sei, wenn gleichzeitig die Nutzung von Ortsdiensten freigegeben wird. Damit könnte Google möglicherweise auf die Ortsangaben des Handys zugreifen. Auch regt Digitalcourage an, eine Beteiligung ohne Smartphone, nur auf Basis eines kleinen Bluetooth-Geräts zu ermöglichen. (kbe)