Polaris ist da: AMD-Grafikkarte Radeon RX 480 mit hoher Spieleleistung und einem Makel
Die Radeon RX 480 ist ab 215 Euro erhältlich und bietet genug Performance, um aktuelle Spiele mit höchster Bildqualität darzustellen. Eine gute Alternative für Aufrüster, die allerdings ein bisschen Mut mitbringen müssen.
AMD präsentiert die Radeon RX 480 als erste Grafikkarte der neuen Polaris-Generation. Sie stellt aktuelle Spiele in maximaler Grafikqualität dar und ist dabei dank eines neuen GPU-Fertigungsprozesses wesentlich sparsamer als ihre Vorgänger. Überdies bringt sie endlich HDR-fähigen DisplayPort 1.4, HDMI 2.0b und eine moderne Video-Engine, die auch 4K-Filme in allerlei Formaten verarbeitet (H.264, HEVC, VP9). AMD bietet die Grafikkarte mit 4 GByte Videospeicher (224 GByte/s) für 215 Euro an; die 8-GByte-Version (256 GByte/s) kostet rund 255 Euro. Sie unterstützt die 3D-Schnittstellen DirectX 12 (Direct3D 12_0), Vulkan und OpenGL 4.5.
Die Karte ist gut 24 cm lang, hat drei DisplayPort-1.4-Ausgänge und eine HDMI-2.0b-Buchse.
(Bild: c't)
2304 Kerne und 32 ROPs
Das Herz der neuen Grafikkarte ist der als Polaris 10 bezeichnete Grafikchip, der mit 14-nm-Strukturen gefertigt ist (Vorgänger: 28 nm). Er besteht aus 36 Rechengruppen (Compute Units), die jeweils 64 Shader-Rechenkerne enthalten. Dazu kommen insgesamt 144 Textureinheiten und 32 Rasterendstufen (ROPs). Die Funktioneinheiten laufen mit einem Basis-Takt von 1120 MHz, der Turbo-Takt beträgt 1266 MHz. Bei praktischer Dauerlast liegt die Taktfrequenz meist unter 1200 MHz. Durch die vergleichsweise geringe Zahl an ROPs fällt die Radeon RX 480 in hohen Auflösungen mit aktiver Kantenglättung im Vergleich zu einer Radeon R9 390X (64 ROPs) stärker zurück. Detaillierte Angaben zu den Neuerungen der Polaris-Architektur finden Sie in der folgenden AMD-Präsentation.
Schneller als eine GeForce GTX 970
Beim Spielen ist die Radeon RX 480 schneller als eine GeForce GTX 970, kommt aber an eine GeForce GTX 980 oder Radeon R9 390X nicht heran. Die 3D-Performance reicht, um aktuelle Spiele in Full HD mit maximaler Detailstufe ruckelfrei darzustellen. Häufig packt die RX 480 sogar Spiele in WQHD (2560×1440), manchmal muss man aber Multisampling-Kantenglättung deaktivieren oder auf sparsame Modi wie MLAA zurückgreifen. Das Action-Spektakel GTA V macht mit der Radeon RX 480 noch Probleme: Trotz ausreichend hoher Bildraten stören regelmäßig auftretende Bildaussetzer; hier ist AMDs Treiberteam gefordert. Die Radeon RX 480 mit 8 GByte Videospeicher erreicht im 3DMark Firestrike Extreme 5136 Punkte. Zum Vergleich: Die Radeon R9 380X schafft 4025 Punkte, eine GTX 970 4880 Punkte und eine GTX 980 5593 Punkte. VR-Anwendungen stellt die Radeon RX 480 flüssig dar. Im Steam-VR-Benchmark erreicht sie 6,7 Punkte.
Die Radeon RX 480 verletzt die PCIe-Spezifikation deutlich, was auf manchen Mainboards zu Instabilitäten führen kann.
(Bild: c't)
Gefährliches Platinendesign
Die Leistungsaufnahme der Radeon RX 480 fällt trotz des neuen Fertigungsprozesses höher aus als erwartet. Im Leerlauf zieht die Karte 16 Watt; AMD zufolge sollen zukünftige Treiber die Leistungsaufnahme auf 11 Watt drücken und auch die in unserem Tests nicht funktionierende ZeroCore-Power-Funktion ermöglichen.
In Spielen überschreitet die Radeon RX 480 sogar die mit 150 Watt angegebene Thermal Design Power – und auch die PCIe-Spezifikation. Durchschnittlich haben wir 156 Watt beim Spielen gemessen, im Furmark zieht die Karte bei reduziertem Takt sogar 169 Watt. Äußerst problematisch ist die Tatsache, dass die Radeon RX 480 beim Spielen allein aus dem für höchstens 75 Watt spezifizierten PCIe-Steckplatz des Mainboards bis zu 88 Watt zieht. Dies kann bei manchen Mainboards zu Instabilitäten führen. Da AMD die Karte bereits standardmäßig weit über dem Limit betreibt, können wir von Übertaktungsexperimenten mit dem Referenzdesign, das über nur einen zusätzlichen 6-Pin-Anschluss verfügt, nur abraten. Hier kann man nur darauf hoffen, dass AMDs Partner Boards mit standardkonformem Layout und ausreichender Spannungsversorgung anbieten.
Die Radeon RX 480 hat einen Polaris-Grafikchip mit 2304 Shader-Rechenkernen.
(Bild: AMD)
Radeon RX 480 und Linux
Die quelloffenen Linux-Grafiktreiber unterstützen die neue Grafikchip-Generation bereits – das ist ein Novum, denn in der jüngsten Vergangenheit dauerte es mindestens Monate, bis die Open-Source-Treiber neue GPUs ansprechen konnten. Rosig ist die Situation aber noch nicht, denn die passenden Treiber stecken bislang nur in Vorabversionen von Linux-Kernel 4.7, Mesa 12.0 und LLVM 3.8.1/3.9. Diese Versionen sollen aber in den nächsten Wochen erscheinen, daher dürften Ubuntu 16.10 und andere im Herbst erscheinende Distributionen die neuen Grafikkarten von Haus aus unterstützten. Bis dahin gibt es aber auch noch einige Detailprobleme auszuräumen, denn beim Kurztest mit Entwicklerversionen von Linux-Kernel und Mesa flackerte das Bild der Radeon RX 480 hin und wieder; AMDs Open-Source-Entwickler diskutieren aber gerade einige Korrekturen, die dieses Probleme womöglich beseitigen.
Einen ausführlichen Test, detaillierte Testergebnisse und Informationen zur Radeon RX 480 bringt c't in Ausgabe 15/2016.
All you can read: Alle Magazine und zusätzliche exklusive Artikel wie Tests, Ratgeber und Hintergrundberichte auf heise online lesen. Nur für kurze Zeit!