Prioritäten setzen: Mehr Lichterzeichnung aus Digitalfotos herausholen
Kamera-Belichtungskurven
Kamera-Belichtungskurven
Moderne digitale Spiegelreflexkameras zeigen bereits eine "filmähnliche" Belichtungscharakteristik, die allerdings auf der Weiterverarbeitung der rohen Sensordaten (RAW) per Software in der Kamera oder auf dem PC beruht. Sieht man sich die sogenannten "Rohdaten" in einer RAW-Bilddatei an, ohne sie bildgerecht zu interpretieren, sondern nach einer "linearen" Konversion in eine TIFF-Datei, wird dies deutlich (siehe Kasten Diagramme). So eine "lineare" Konvertierung ist mit dem hauseigenen Programm "Digital Photo Professional" (DPP) von Canon möglich, oder mit dem Freeware-Konverter dcraw. Gewonnen wurden die dargestellten Daten aus ganzstufigen Belichtungsreihen, die um je eine "Blendenstufe" (+/- 1 EV, siehe oben) gegenüber der mit 0 EV bezeichneten Belichtung auf eine Graukarte gewonnen wurden, und zwar im Bereich bis von -6 EV bis +4 EV (Unter- bzw. Überbelichtung, teilweise auch -7 EV bis + 5 EV). Es zeigt sich, dass der Sensor in der Kamera annähernd linear auf die Belichtung reagiert.
Für die spätere Wiedergabe der Bilder auf einem Monitor oder Drucker sind die Daten in dieser Form aber unbrauchbar. Das hat zwei Gründe: Zum einen können diese Medien den darin abgebildeten Belichtungsumfang gar nicht wiedergeben, zum anderen verschwinden bei der Reduzierung auf 8-Bit-RGB-Daten vor allem in den Schatten fast alle Nuancen (Zwischenstufen). Tatsächlich liegen die Rohdaten bei diesen beiden Kameramodellen in einem 14-bit-Datenformat vor.
Diese Nuancierung läßt sich bei der Konversion in ein 16-Bit-TIFF zwar erhalten, was auch sinnvoll ist, wenn man anschließend in einem Bildbearbeitungsprogramm noch weitere Bearbeitungsschritte vornehmen will. Als Endprodukt werden aber in der Regel 8 Bit pro Kanal benötigt (insbesondere in JPEG-Dateien, die für das Web bestimmt sind). Aus diesem Grund werden die Daten bei der Umwandlung in eine Bilddatei einer logarithmischen Konvertierung unterzogen, die mehr Werte für die Schatten und weniger für die Lichter reserviert. Das geschieht auch, wenn die Kamera schon ein fertiges JPEG abspeichert. Dies erkennt man auch an den Kurven in den folgenden Diagrammen.
Um ein Kontrastverhältnis in Blendenstufen umzurechnen, beispielsweise 1:10.000, benutzt man den 10er-Logarithmus * 3,32, das ergibt für log (10.000) * 3,32 = 13.28 Blendenstufen! So etwas schafft kaum ein Film und keine digitale Fotokamera, das menschliche Auge aber schon. Eher hätten wir schon bei 1:4000 = 12 Blendenstufen oder Lichtwerten (LW bzw. englisch EV) eine Chance, wobei das Auge sogar Kontrastverhältnisse von 100.000:1 oder 16,6 Blendenstufen gleichzeitig erfassen können soll. Die Umrechnung von Blendenstufen in ein lineares Helligkeitsverhältnis ist (mit jedem Taschenrechner) ganz einfach: Man berechnet die entsprechende Potenz von 2, also 2^Blendenstufen, z. B. 2^9,5 = 724.
Rohheiten
Das RAW-Format (Rohdaten) enthält direkt die digitalisierten Helligkeitswerte aus dem Sensor, also das, was "hinten herauskommt", wenn vorne die analogen Sensorspannungen mit einer bestimmten Verstärkung hineingeschoben werden. Einer Verdoppelung des Helligkeitswertes im Motiv entspricht also ein doppelter Zahlenwert (jedenfalls theoretisch). Die gezeigten Werte wurden durch eine Belichtungsreihe gewonnen, bei der eine Graukarte aufgenommen wurde.
Ausgehend von der gemessenen Belichtung (0 EV) wurden durch Verkürzung der Belichtungszeit um bis zu 7 Blendenstufen und durch Verlängerung um bis zu 5 Blendenstufen Messwerte für die einzelnen Blendenstufen ermittelt. Bei der üblichen Übertragung dieser absoluten Helligkeitsdaten in ein 8-Bit-Datenformat (RGB mit 3 x 8 oder 24 Bit per Pixel) werden nichtlineare Transformationen angewendet, die in erster Näherung einer logarhitmischen Skala entsprechen.
Der mittlere Grauwert in einem Motiv (definiert als eine Graufläche, die 18% des auftreffenden Lichtes reflektiert) sollte dabei auf den Wert 118 (im Bereich von 0 bis 255) abgebildet werden, wenn man ihn bei der Aufnahme anmisst und die Belichtung auf +/- 0 EV einstellt. Dieser Wert befindet sich etwas unterhalb der "Mitte" zwischen 0 und 255. Dagegen ist der lineare Wert für mittleres Grau sehr viel weiter im unteren Bereich des Werteraumes angesiedelt (etwa um 20 bezogen auf 8-Bit-Darstellung).
Darum sollte man bei der Belichtung den – am Histogramm ablesbaren – Belichtungsspielraum normalerweise so weit als möglich in den oberen Bereich legen, sofern dies nicht auf Kosten der Durchzeichnung in bildwichtigen Lichterbereichen geht. Denn dadurch stehen pro Blendenstufe wesentlich mehr Werte zur Unterscheidung von Graustufen (und Farbnuancen) zur Verfügung als im Falle einer knappen Belichtung.