Mehrheit der Bundesbürger für Kompromiss bei Online-Durchsuchungen
Immerhin 24 Prozent der befragten Bürger meinen allerdings, dass der Polizei uneingeschränkt alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen müssen, damit sie effektiv gegen Kriminalität vorgehen kann.
- Jürgen Kuri
In der Debatte über heimliche Online-Durchsuchungen privater PCs findet die Mehrheit der Bundesbürger, ein Mittelweg sei die beste Lösung: 64 Prozent meinen, dass zwischen dem Schutz der Privatsphäre und den Möglichkeiten der Ermittlungsmöglichkeiten, gegen die Kriminalität vorzugehen, ein gesetzlicher Kompromiss gefunden werden müsse. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Infratest dimap im Auftrag des ARD-Morgenmagazins.
Allerdings meinen immerhin 24 Prozent der befragten Bürger, dass der Polizei uneingeschränkt alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen müssen, damit sie effektiv gegen Kriminalität vorgehen kann. Elf Prozent finden, dass der Schutz der Privatsphäre wichtiger sei als die Fahndungsmöglichkeiten der Polizei.
Der Bundesgerichtshof hatte am Montag dieser Woche entschieden, dass heimliche Online-Durchsuchungen von privat oder geschäftlich genutzten PCs durch die Polizei unzulässig sind. Die Durchsuchung der im Computer eines Beschuldigten gespeicherten Daten sei nicht durch die Strafprozessordnung gedeckt. Diese erlaube nur eine offene Durchsuchung. Es fehle an der für einen solchen Eingriff erforderlichen Ermächtigungsgrundlage.
Bundesinnenminister Schäuble hat bereits angekündigt, schnell eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, damit heimliche Online-Durchsuchungen durch die Strafverfolgungsbehörden möglich werden; diese Maßnahme sei unverzichtbar. Das bayerische Kabinett hat bereits Justizministerin Beate Merk und Innenminister Günther Beckstein (beide CSU) beauftragt, eine Rechtsgrundlage für eine heimliche Online-Durchsuchung von PCs zu prüfen. Und BKA-Chef Jörg Ziercke betonte, dass er Online-Durchsuchungen für dringend erforderlich hält: "Wir müssen mit dem technischen Fortschritt Schritt halten können, wenn skrupellose Kriminelle ins Internet ausweichen und dort ihre Anschlagsplanung, ihre kriminelle Handlung vorbereiten."
Bundesjustizministerin Brigitte Zypries warnte jedoch vor Schnellschüssen bei einer Gesetzesänderungen zur Ermöglichung von heimlichen Online-Durchsuchungen privater PCs: "Aus meiner Sicht müssen die Praktiker, also die Strafverfolgungsbehörden, sehr genau darlegen, warum sie zwingend erforderlich Computer ohne das Wissen der Beschuldigten durchsuchen wollen. Wenn dies geschehen ist, müssen wir uns überlegen, welche Folgen dieser erhebliche Eingriff in die Privatsphäre haben könnte." Schäuble hielt dem inzwischen entgegen, dass es bei der geplanten verdeckten Online-Durchsuchung keine privaten Bereiche auf der Computerfestplatte geben könne, die im Sinne des "Kernbereichs privater Lebensführung" geschützt seien: "Ich kenne und respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Privatsphäre. Aber wir müssen auch sehen, dass dieser Schutz in der Alltagswirklichkeit praktikabel bleibt. Verbrecher und Terroristen sind klug genug, so etwas auszunutzen", erklärte Schäuble im Interview mit der taz.
Siehe zu dem Thema auch:
- Schäuble: Trojaner sollen auch private Tagebücher durchsuchen
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- Bayern will Regelung zu Online-Durchsuchungen vorantreiben
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- Verfolgerwahn, Wie Online-Nutzer die Kontrolle über ihre Daten zurückgewinnen können, c't 24/06, S. 202
- Im Visier der Strafverfolger, Staatlicher Zugriff auf Anonymisierungsserver, c't 24/06, S. 208
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