US-Senatoren: Soziale Medien bedrohen die Demokratie
Kritik an Google, Angst um die Demokratie, und der Ruf nach dem "Ende des Wilden Westens in Sozialen Medien" prägten eine Anhörung des US-Senats.
Facebook-COO Sheryl Sandberg und Twitter-CEO Jack Dorsey in Washington, DC
(Bild: Screenshot)
- Daniel AJ Sokolov
Soziale Medien, Google-Dienste und mangelhafter Datenschutz sind eine zunehmende Gefahr für die freie Gesellschaft. Das fürchten hochrangige US-Senatoren aus dem Geheimdienste-Ausschuss. Der Republikanische Vorsitzende Richard Burr sprach bei einer Anhörung am Mittwoch von einer "Gefahr für unsere Demokratie", sein Demokratischer Stellvertreter Mark Warner fürchtete eine neue Generation von Desinformationskampagnen auf Grundlage erhackter Daten. Der prominente Demokrat Ron Wyden sieht Datenschutz als vorrangiges Thema der Nationalen Sicherheit.
Facebook-COO Sheryl Sandberg vor dem Geheimdienste-Ausschuss des US-Senats
(Bild: Screenshot)
Ausgerechnet Facebooks Chief Operating Officer Sheryl Sandberg und Twitter-Chef Jack Dorsey pflichteten Wyden unumwunden zu. Aus europäischer Sicht mutet es absurd an, dass gerade diese großen Datenverwerter auf diesen Zug aufspringen. Sie definieren Datenschutz einfach anders.
Die beiden Manager waren nach Washington gekommen, um "die Rolle Sozialer Medien in der Ausführung ausländischer Einflussnahme-Operationen zu diskutieren", wie es Vorsitzender Burr in seiner Eröffnungsrede formulierte. Dorsey, der sich selbst als scheu beschreibt, war die Anspannung anzumerken.
So hatte das Silicon Valley das nicht geplant
Er gestand ein, dass Twitter "unvorbereitet und schlecht ausgerüstet" von der Entwicklung Sozialer Medien überrascht wurde. "Missbrauch, Belästigung, Troll-Armeen, Propaganda durch Bots und koordinierte Menschen, Desinformationskampagnen, entzweiende Filterblasen – das ist kein gesunder öffentlicher Raum."
Sandberg war sichtbar lockerer und setzte auf die Erwähnung diverser Maßnahmen bei Facebook, die Aufzählung von Statistiken, und die bereits seit Jahren von Facebook bekannten Besserungsgelöbnisse. Dorsey stimmte ein: "Wir gestehen die echten negativen Konsequenzen in der realen Welt ein, und übernehmen die volle Verantwortung dafür, das zu reparieren. Wir können das nicht alleine machen."
Doch waren beide darauf bedacht, sich nicht aus der Reserve und in politische Fettnäpfe locken zu lassen – etwa, wenn es um die Verteidigung der Vorherrschaft der Supermacht USA ging, oder um die Frage der Verantwortung für Drogentote, die Drogen über Soziale Medien bestellt hatten.
Burr: "Abschreckende" Entwicklung
So gab die Veranstaltung dann auch mehr Einblick in die Sorgen der Senatoren, als das Geheimnisse aus dem innersten Kreis der beiden Datenfirmen ruchbar geworden wären. Burr sieht Soziale Medien "anfällig für Korrumpierung und Missbrauch. Die allerschlimmsten Beispiele sind total abschreckend und eine Gefahr für unsere Demokratie."
Besondere Sorge bereitet ihm, dass neben Russland auch "andere Staaten versuchen, unser Produkt als Werkzeug der Staatskunst dazu verwenden, die politische Stimmung in Amerika zu formen und zu manipulieren. (…) Offensichtlich verschwindet dieses Problem nicht. Ich bin nicht sicher, dass es überhaupt in die richtige Richtung tendiert."
Der parteiunabhängige Senator Angus King verriet, dass in Washington an einer "Doktrin für Cyber-Abschreckung" gearbeitet wird. Sie soll ausländische Einflussnahme auf US-Wahlen hintanhalten. Der Republikaner Tom Cotton wünscht Sonderrechte für die US-Regierung: Facebook und Twitter sollen der US-Regierung zu Diensten stehen, ausländischen Regierungen aber keinen Datenzugriff gewähren.
Warner: "Russen werden besser"
Burrs Stellvertreter, der Demokrat Mark Warner, setzte sich für gesetzgeberische Reaktionen ein, da die Betreiber Sozialer Medien die Probleme nicht alleine lösen können würden. Zwar hätten sie sich gebessert, "aber auch die Russen werden besser. Sie sind jetzt schwieriger auszumachen. Schlimmer noch, nachdem die russische Vorgehensweise nun bekannt ist, sind auch andere Gegner eingestiegen, zuletzt etwa der Iran."
Senator Mark R. Warren, ebenda
(Bild: Screenshot)
Ausländische Desinformationskampagnen seien aber nur ein Bruchteil der anstehenden Herausforderungen. "So wie Bots, Trolle, Fake-Seiten, und das Austricksen von Algorithmen zur Verbreitung von falscher Nachrichten genutzt werden können, können die selben Werkzeuge für (Betrug durch aufgeblähte Aktiennotierungen), zum Erzeugen von Filterblasen und alternativen Realitäten, zur Aufstachelung zu ethnischer und rassistischer Gewalt und unzählige andere Verstöße genutzt werden."
"Stellen Sie sich die Herausforderung und den Schaden an den Märkten vor, wenn gefälschte Mitteilungen des Vorsitzenden der (US-Notenbank) online durchsickern. Oder denken Sie an den Preis der Aktien einer Fortune-500-Firma, wenn ein unehrlicher Short Seller in der Lage war, falsche Informationen über den CEO der Firma oder die Auswirkungen deren Produkte rasch online zu verbreiten", schilderte Warner.
"Wilder Westen für Soziale Medien vor dem Ende"
"Russland-bezogener Informationskrieg passiert heute", betonte der Abgeordnete. Microsoft habe kürzlich russische Versuche, politische US-Organisationen und -Wahlkampagnen zu hacken, aufgedeckt. Gleichzeitig würden Russen weiterhin amerikanische Soziale Medien "infiltrieren und manipulieren, um unseren nationalen Diskurs zu kapern." Die russischen Kampagnen hätten die dunkle Seite des Online-Ökosystems offengelegt. "Und das droht, den amerikanischen Diskurs zu entwerten, Datenschutz zu schwächen, die Wahrheit auszuhöhlen und unsere Demokratie in einem zuvor unvorstellbaren Ausmaß zu untergraben."
Twitter-Mitgründer Jack Dorsey vor dem Geheimdienste-Ausschuss des US-Senats
(Bild: Screenshot)
"Schlimmer noch, es wird noch schwieriger werden, da wir uns künstlicher Intelligenz und Deep Fake Technik zuwenden. (…) Ich fürchte, dass wir vor einer neuen Generation der Ausnutzung stehen, wobei gehackte persönliche Information dazu genutzt werden könnte, zugeschnittene Desinformation und Social-Engineering-Anstrengungen zu ermöglichen", warnte Warner.
Er will mit neuen Gesetzen dagegenhalten. Er erwähnte ein Recht, zu wissen, wenn man es mit einem Bot zu tun hat; einfacher zu verstehende Nutzungsbedingungen; die Möglichkeit, eigene Daten von einer Plattform zur anderen mitzunehmen; den Grundsatz der Datenminimierung; den Grundsatz der Zustimmung Betroffener vor Verwendung deren Daten; und Rechenschaftslegung der Plattformbetreiber über ihr "fehlerhaftes Geschäftsmodell Werbung".
Außerdem möchte der Demokrat, dass die Betreiber mehr anonymisierte Daten für die Forschung freigeben, um potenzielle Probleme und Missbrauch entdecken zu können. "Die Ära des Wilden Westens bei Sozialen Medien gelangt zu ihrem Ende", gab sich Warner sicher.
Google glänzt durch Abwesenheit
Neben Facebook und Twitter war eigentlich auch Google oder deren Holding Alphabet geladen gewesen. Doch dieser Konzern war nicht bereit, freiwillig einen Chef zu schicken. Mit Untergebenen gaben sich die Senatoren aber nicht zufrieden, so dass Googles Stuhl im Saal leer blieb. Das könnte sich als Fehler herausstellen.
Senator Richard Burr bei der Anhörung des Geheimdienste-Ausschusses im US-Senat
(Bild: Screenshot)
Denn Senatoren beider Parteien reagierten ungehalten. Der Vorsitzende verpackte seine Kritik in Lob: "Googles eigene interne Sicherheitsteams haben lobenswerte Arbeit bei der Störung (iranischer Einflussnahme) geleistet. Und wir hätten es geschätzt, mit (Google) auf einem angemessenen Niveau der Firmenvertretung zu sprechen. Dennoch sollten ihre Anstrengungen anerkannt werden."
Gehörige Schelte für Google
Stellvertreter Warner wurde konkreter. Er sprach von "einer Reihe schwieriger Fragen über strukturelle Schwachstellen bei vielen Google-Plattformen, auf die wir Antworten brauchen werden. Von der (Suchmaschine), die Probleme hat und weiterhin absurde Verschwörungen auftischt, über Youtube, wo russische Desinformationsagenten hunderte polarisierende Videos beworben haben, bis zu Gmail, wo es unzählige Hackversuche staatlich finanzierter Akteure gibt."
"Google hat in diesem Bereich eine enorme Verantwortung. Angesichts der Größe und des Einflusses Googles hätte ich gedacht, dass Googles Führung beweisen hätte wollen, wie ernst sie diese Herausforderungen nehmen, und dass sie eine Führungsrolle in dieser wichtigen Diskussion übernehmen", hielt Warner fest, "Leider haben sie sich nicht dazu entschlossen."
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(ds)