Netflix: Was wir aktuell über das Verbot von Account-Sharing wissen

Accounts dürfen bei Netflix bald nicht mehr geteilt werden, es drohen wohl Gerätesperren. Das ist derzeit über die Pläne des Streaming-Dienstes bekannt.

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Dallas,,Texas/,United,States,-,05/10/2018:,(photograph,Of,Netflix,Logo

(Bild: Bernardo Ramonfaur/Shutterstock.com)

Von
  • Daniel Herbig
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Laut Netflix zahlen mehr als 100 Millionen Haushalte nicht für Netflix, weil sie Accounts anderer Haushalte mitbenutzen. 100 Millionen blinde Passagiere, die der US-Streaming-Dienst gerne zu zahlenden Abonnentinnen und Abonnenten machen würde. Nach Jahren der Toleranz ("Love is Sharing a Password", twitterte Netflix einst) steht das sogenannte Account-Sharing, bei dem mehrere Personen sich ein Abo teilen, bei Netflix nun vor dem Aus.

Noch trifft Netflix die Vorbereitungen dafür, gegen das Account-Sharing auch in Deutschland vorzugehen. Für zusätzliche Verwirrung sorgte der Streaming-Dienst, als er erst einen Support-Beitrag mit konkreten Details veröffentlichte, nur um ihn kurz darauf wieder zu entfernen. Heise online beantwortet die wichtigsten Fragen zu der kommenden Umstellung – so gut es zu diesem frühen Zeitpunkt möglich ist. Dieser Artikel wird aktualisiert, sobald Netflix neue Informationen veröffentlicht.

Ein Netflix-Account darf laut den Nutzungsbedingungen nur mit Personen geteilt werden, die im gleichen Haushalt leben. Netflix definiert einen Haushalt als gemeinsamen Wohnort – praktisch darf man Netflix also mit allen Personen teilen, die zusammenwohnen.

Zusätzliche Einschränkungen ergeben sich durch das jeweilige Abo: Im Basis- und im Werbeabo kann Netflix zu jeder Zeit nur von einem Gerät gestreamt werden, im Standard-Abo von zwei Personen und im Premium-Abo von vier Geräten gleichzeitig.

Netflix-Accounts dürfen eigentlich schon seit Jahren nur in einem Haushalt genutzt werden. Doch das Unternehmen hinter dem Streaming-Dienst drückte bisher ein Auge zu und verfolgte die Regel nicht. Das wird sich nun ändern.

Dass es Netflix tatsächlich ernst damit meint, hat das Unternehmen in den vergangenen Monaten wiederholt betont, zuletzt etwa in Gesprächen mit Investoren. Ein Pressesprecher bestätigte heise online außerdem, dass dem Passwort-Sharing bald auch in Deutschland der Riegel vorgeschoben werden soll.

Das Vorgehen von Netflix in mehreren lateinamerikanischen Ländern zeigt, dass das keine leeren Drohungen sind. Dort wird das Passwort-Sharing nämlich bereits als Testphase für größere Märkte eingeschränkt. Zudem hat Netflix mehrere Funktionen eingeführt, die das strengere Vorgehen gegen Account-Teiler vorbereiten. So ist es seit Kurzem etwa möglich, seinen Sehverlauf aus einem Konto in einen neuen Account zu übertragen. Außerdem hat Netflix sein Account- und Gerätemanagement überarbeitet.

Der genaue Zeitpunkt, ab dem Netflix das Account-Sharing in Europa einschränken möchte, ist noch nicht bekannt. In einem Gespräch mit Investoren sagte CEO Greg Peters, man sei prinzipiell ab dem ersten Quartal 2023 bereit, die Änderungen umzusetzen.

In verschiedenen Ländern wolle man aber gestaffelt vorgehen. "Das wird alles in den nächsten paar Quartalen passieren", sagte Peters. Ein Netflix-Sprecher bestätigte heise online, dass das Teilen von Accounts in Deutschland "in naher Zukunft" eingeschränkt wird.

Personen, die nicht in einem Haushalt mit dem Kontoinhaber wohnen, sollen den Streaming-Dienst nicht mehr nutzen können. Wie genau das umgesetzt werden soll, ist noch nicht abschließend geklärt. Ein kurzzeitig online verfügbarer Support-Eintrag nannte aber schon konkrete Eckdaten.

Demnach will Netflix auf individueller Gerätebasis vorgehen: Künftig müssten sich alle Geräte, auf denen Netflix geschaut werden soll, regelmäßig im hinterlegten WLAN- oder LAN-Netzwerk anmelden und einen Netflix-Inhalt streamen. Passiert das 31 Tage lang nicht, wird das betroffene Gerät ausgesperrt, kann sich also nicht mehr bei Netflix anmelden. Das hinterlegte Heimnetzwerk definiert dabei den Hauptstandort und damit den Haushalt im Sinne der Netflix-Nutzungsbedingungen.

Um das Gerät erneut freizuschalten, müsste man es voraussichtlich in das hinterlegte Heimnetz bringen. Dieses Vorgehen würde bedeuten: Wer den Account-Inhaber einmal im Monat besucht, könnte dessen Netflix-Konto zumindest auf mobilen Geräten wie Handys, Tablets und Notebooks verwenden. Schwierig bis unmöglich würde das Account-Sharing derweil auf Fernsehern, die kaum regelmäßig in einen anderen Haushalt transportiert werden können. Ob diese mittlerweile gelöschten Informationen die finale Umsetzung widerspiegeln, ist noch offen.

Um Geräte und ihren Standort analysieren zu können, wertet Netflix IP-Adressen, Geräte-IDs und Kontoaktivitäten aus. Das Heimnetzwerk zu identifizieren, ist aber nicht trivial: Netflix könnte prüfen, von welchen IP-Adressen und aus welchen Subnetzen der Account genutzt wird. So könnten Muster festgestellt werden. Erfolgen Zugriffe etwa regelmäßig von zwei unterschiedlichen IP-Adressen, dürfte das Netflix auffallen. Auch Abweichungen bei den Subnetzen können erkannt werden.

Grundsätzlich könnte es möglich sein, die Netflix-Einschränkungen mit privaten VPN-Tunnels zu umgehen – man könnte Netflix dadurch aus der Ferne vorgaukeln, sich tatsächlich im hinterlegten Heimnetz zu befinden. Viele Router, etwa AVMs Fritzboxen, bringen die nötigen Bordmittel mit, um solche VPN-Tunnel einzurichten.

App-Entwickler könnten aber noch andere Tests nutzen, um zu prüfen, wo sich ein Client befindet. Beispielsweise könnte die App über DNS-Anfragen die VPN-Verbindung enttarnen. Wie viele Checks Netflix letztlich implementiert, bleibt abzuwarten.

Geht Netflix nach der im mittlerweile gelöschten Blogeintrag beschriebenen Methode vor, gibt es zumindest für kürzere Reisen mehrere Möglichkeiten. So müsste man sich lediglich am Tag vor der Abreise noch einmal mit dem passenden Gerät im Heimnetz bei Netflix einloggen, um das Gerät in den kommenden 31 Tagen auch außerhalb des Zuhauses nutzen zu können.

Zusätzlich vermerkte Netflix die Möglichkeit, unterwegs einen zeitlich begrenzten Code anzufordern, mit dem sich der Streaming-Dienst an sieben aufeinanderfolgenden Tagen nutzen ließe. In mehreren Ländern in Lateinamerika hatte Netflix noch weitere Zugeständnisse bei Reisen ausprobiert. Getestet wurde etwa, dass man Netflix einmal pro Jahr und Ort auch außerhalb des eigenen Zuhauses für zwei Wochen auf einem Fernseher schauen kann. Wie diese Regelungen und Ausnahmen final implementiert werden, ist noch offen. Zum Verfahren bei Zweitwohnsitzen gibt es bislang keine Informationen.

Laut Netflix soll es in "vielen Ländern" möglich sein, Personen außerhalb des eigenen Haushalts gegen eine Zusatzzahlung weiter mitzuversorgen. Diese Abo-Option hat Netflix bereits in Lateinamerika getestet, wo Kosten außerhalb des eigenen Haushalts bislang umgerechnet wenige Euro im Monat kosteten. Das wäre im Vergleich zu einem Einzelabo eine günstigere Option. Für Deutschland ist sie aber noch nicht angekündigt.

Ansonsten bleibt nur der Umstieg auf ein eigenes Netflix-Abo. Damit der Verlauf und die Präferenzen beim Wechsel von einem Unterkonto zu einem eigenen Account nicht verloren gehen, bietet Netflix mittlerweile ein Tool für den Datentransfer an. Wer das Geld für ein vollwertiges Abo nicht ausgeben möchte, kann sich außerdem für eine günstigere Variante mit Werbung entscheiden.

(dahe)