OpenBikeSensor: Abstandsmesser für Radfahrer selber bauen
Auch beim Fahrradfahren drohen Unfälle. Der OpenBikeSensor dokumentiert den Abstand, Verkehrsplaner der Kommune könnten mit den gewonnenen Daten gegensteuern.
(Bild: Albert Hulm)
- Lutz Labs
Die Straßenverkehrsordnung schreibt Autofahrern einen Mindestabstand von 1,5 Metern beim Überholen von Radfahrern vor, außerorts sind es sogar 2 Meter. Mit dem OpenBikeSensor lässt sich jeder Überholvorgang mitsamt Abstand an bestimmten GPS-Koordinaten protokollieren. Mit genügend Daten haben Verkehrsplaner einen konkreten Anhalt, potenzielle Unfallschwerpunkte auszumachen und sie vielleicht sogar zu beseitigen.
Das Prinzip in Kurzform: Wird man von einem Auto überholt, zeigt das Lenkerdisplay den Abstand links oder rechts überholender Fahrzeuge an. Zusätzlich speichert der Sensor Abstände und zugehörige GPS-Daten permanent auf der SD-Karte. Drückt man innerhalb von fünf Sekunden die Aufzeichnungstaste, speichert der Sensor zu dem Datensatz noch die Information, dass diese Taste gedrückt wurde; nur solche Datensätze werden dann für die spätere Auswertung aktuell herangezogen.
Schon bei Open-Source-Software spielt die Wahl der Lizenz eine wichtige Rolle. Mit Open-Source-Hardware wird es noch ein klein wenig komplizierter. Denn die Wahl der richtigen Lizenz hängt davon ab, was lizenziert werden soll: Hardware, Software oder Dokumentation.
Für die Dokumentation stehen etwa die Creative-Commons-Lizenzen zur Verfügung, für Code die GNU General Public License, die BSD- oder MIT-Lizenz. Bei Hardware spielt die Open Hardware Licence des Schweizer Kernforschungszentrums CERN die größte Rolle. Ein Kernaspekt der CERN-OHL ist das Prinzip der Gegenseitigkeit, die Reziprozität. Diese bestimmt, wie wichtig es dem Lizenzgeber ist, ob eine entstandene Weiterentwicklung auch wieder frei zugänglich sein soll oder ob der Fokus mehr auf Kombinierbarkeit mit anderen, eventuell auch proprietären Lizenzen liegt.
Die CERN OHL v2.0 gibt es daher in drei Varianten: Stark-reziprok (OHL-S), Schwach-reziprok (OHL-W) und tolerant (OHL-P).
Eine mögliche Kombination für ein reziprokes Hardwareprojekt mit Dokumentation und Software wäre also CERN-OHL-S 2.0 (Hardware), GPLv3 (Code) und CC-BY-SA (Dokumentation); eine permissive Variante CERN-OHL-P 2.0 (Hardware), MIT (Code) und CC-0 (Dokumentation).
OpenBikeSensor in der Praxis
Der OpenBikeSensor besteht aus zwei Blöcken, nämlich dem Sensor, der am besten an die Sattelstütze montiert wird, und einer Anzeigeeinheit am Lenker. Das für den Nachbau vorgeschlagene Gehäuse des Sensors ist zwar nicht offiziell wasserdicht, die meisten Nutzer aber haben noch keinen Wassereinbruch feststellen müssen. Lediglich das am Lenker montierte Display sollte bei starkem Regen abgedeckt werden.
Damit der vom Display angezeigte Abstand stimmt, muss man vorab die Lenkerbreite messen und in den Einstellungen hinterlegen. Im Setup definiert man Zonen, in denen keine GPS-Aufzeichnung stattfinden soll; so kann man etwa Privatadressen vor unbefugten Auswertungen verbergen.
Löten und crimpen
Der Sensor liegt aktuell in Version 0.3 vor, alle Beschreibungen sind offen; Firmware und Druckdaten für das Gehäuse sind ebenfalls verfügbar. Fertiggeräte zum Kauf gibt es nicht, gelegentlich finden sich im Projektforum Interessenten für eine Sammelbestellung der Bauteile.
Da der Zusammenbau etwas friemelig ist und auch die dazu notwendige Crimpzange nicht in jedem Werkzeugschrank liegt, empfehlen die Aktivisten, mit mehreren Interessenten aus einer Stadt einen Workshop für den Zusammenbau zu organisieren.
Daten für Verkehrsplaner
Zur Weiterverarbeitung bucht sich der OpenBikeSensor in ein vorhandenes WLAN ein, einige lokale Gruppen sammeln die Daten. Die Aktivisten bereiten unter anderem für eine datenschutzkonforme Veröffentlichung derzeit eine Vereinsgründung vor. Der Code für eine Visualisierung der Daten aber existiert im Grunde, er wird etwa vom ADFC Darmstadt-Dieburg genutzt.
Für Veränderungen der Verkehrsinfrastruktur ist jedoch nicht der Fahrradclub zuständig, sondern die Städte oder Kommunen – einzelne sollen nach Angaben des ADFC Interesse an dem Projekt zeigen. So hat etwa das Mobilnetzwerk Hannover 25 Sensoren zusammenbauen lassen; im Frühjahr sind dann Mitglieder des örtlichen ADFC damit umhergefahren. Die Daten liegen nun bei der Region vor, die Ergebnisse will das Mobilnetzwerk Ende 2021 veröffentlichen – leider zu spät für diesen Artikel.
Erste Erkenntnisse gab es jedoch bereits: An vielen Stellen werden Radfahrer zu eng überholt. Nichtsdestotrotz: Mit der Dokumentation per OpenBikeSensor haben die Stadtplaner erstmals Daten über durchschnittliche reale Überholabstände an bestimmten Stellen in der Hand.
In c’t 1/2022 sind wir auf vier Rädern unterwegs. Moderne Autos sammeln Daten über Insassen und Umwelt, die Begehrlichkeiten wecken. Bleibt da noch eine Chance auf Privatsphäre? Außerdem widmen wir uns Open-Source-Hardware, die sich dank guter Dokumentation akkurat nachbauen lässt – vom Lastenrad bis zum Notebook. Ausgabe 1/2022 finden Sie ab dem 17. Dezember im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk.
(ll)