BuchkritikEN
Verlassene Kirchen
Kultstätten im Verfall
Franzis Meslet macht uns in seinem Bildband „Verlassene Kirchen“ zu Zeugen aufgegebener Sakralbauten. Seine Fotos wollen nicht nur Abbild sein, sondern sie laden dazu ein, in die Bilder und damit in die alten Gemäuer einzutauchen und dabei den eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen. „Indem wir auf die Ruinen schauen, blicken wir auf uns selbst zurück“, beschreibt Meslet seine Eindrücke. Mit dem Bildband möchte der Fotograf und Designer auch auf das große Kirchensterben in vielen Ländern aufmerksam machen. Er geht davon aus, dass von den geschätzt 100.000 sakralen Bauten allein in Frankreich bis 2030 mehrere Tausend verschwinden werden. Andere werden profanisiert und zu Fitnesscentern oder Shoppingpalästen gewandelt. Dabei lebten die früheren Besucher der Kirchen in der Überzeugung, dass ihre Kinder und Kindeskinder ebenfalls hier beten würden wie in einem unverrückbaren Zufluchtsort. Aber nichts ist für die Ewigkeit, das wird hier besonders deutlich – Glas zerbricht, Dächer stürzen ein, Mauern zerfallen. Die Natur holt sich den Ort zurück.
Die Texte zu den einzelnen Kirchen stammen von sehr unterschiedlichen Menschen, denen Meslet die jeweiligen Portfolios zur Verfügung gestellt hat. Davon inspiriert sollte jeder Autor mit zwanzig Zeilen seine Eindrücke und Gefühle zu der jeweiligen Kirche aufschreiben. Die Texte stellen so einen weiteren Zugang zu den Bauten dar. Allein die sorgfältig komponierten Bilder stimmen nachdenklich und hinterlassen Gefühle zwischen Faszination, Kopfschütteln und Trauer, die durch die teils emotionalen und lyrischen Texte noch verstärkt werden. Ein lohnender Bildband, in den man immer wieder hineinschauen kann um Neues zu entdecken. (pen)