Interview
„,Game of Thrones‘ ist historisch realistisch“
TR: Celine, Sie haben die Sterberate in „Game of Thrones“ mit echten historischen Daten verglichen. Woher hatten Sie die Daten?
Celine Cunen: Die habe ich auf Wikipedia gefunden. Ich schrieb ein Computerprogramm, das alle Artikel über Menschen durchsucht, die in England, Schottland und Wales während der Zeit des sogenannten Rosenkrieges gelebt haben. George Martin, der Autor der Bücher, die die Vorlage für die Serie lieferten, hat oft gesagt, dass dieser Krieg im 15. Jahrhundert zwischen zwei Fürstenhäusern seine historische Inspiration war.

Und was ist bei Ihrem Vergleich herausgekommen?
Zunächst mal muss man verstehen, dass es nicht reicht, einfach das durchschnittliche Sterbealter aller Menschen in dieser Serie zu berechnen. Das würde ein falsches Bild ergeben. Bei „Game of Thrones“ sind nicht alle Menschen, die sterben werden, zu einem bestimmten Zeitpunkt bereits tot, weil die Geschichte noch weitergeht. Das ist nur eine Momentaufnahme. Wenn man die sogenannte Kaplan-Meier-Methode benutzt, kann man dieses Problem lösen. Dabei kommt heraus, dass die Todesrate in der Serie höher ist als im Krieg der Rosen.
Also ist die Serie zu blutrünstig?
Im Schnitt ja, aber nicht, wenn man sich verschiedene Bevölkerungsgruppen ansieht. Wenn man sich zum Beispiel die Adligen anschaut, haben sie in der Serie und in den historischen Daten eine ganz ähnliche Wahrscheinlichkeit zu überleben. Die Kurven überlappen sich für die meisten Altersgruppen. Das könnte darauf hindeuten, dass „Game of Thrones“, obwohl es in gewissem Sinne übertrieben ist, die Todesrate für Adlige in einem realen Krieg des 15. Jahrhunderts realistisch widerspiegelt.
Und die gewöhnlichen Menschen?
Für die Bürger war das Muster anders. Bürgerliche sterben in „Game of Thrones“ sehr viel früher als im Krieg der Rosen. Das könnte bedeuten, dass die Serienmacher übertreiben, aber es könnte auch bedeuten, dass wir über verschiedene Arten von Bürgern sprechen. In „Game of Thrones“ werden einige Bürgerliche nur gezeigt, weil sie sterben. Sie haben keine andere Rolle. In Wikipedia tauchen Bürgerliche auf, wenn sie etwas Außergewöhnliches geschafft haben, zum Beispiel in das Parlament gewählt zu werden, sehr reich zu werden oder sehr lange zu leben.

Aber Ihre Untersuchung war nicht nur Spaß?
Die Arbeit war nicht Teil meiner Forschung. Es war hauptsächlich für den Wissenschaftsblog, den ich mit einigen Freunden betreibe.
Sie wollten damit auch Werbung für Ihr Fachgebiet machen?
Ja, ich hoffe, dass die Leute das lesen und denken, dass Statistik ziemlich cool sein kann. Ich selbst bin eher zufällig zur Statistik gekommen. Aber ich hätte gern so etwas gesehen, als ich ein junges Mädchen war, das darüber nachdachte, was es studieren soll. Aber das Projekt könnte tatsächlich auch die Grundlage für eine wissenschaftliche Arbeit werden. Ich habe noch weitere Analysen gemacht, um zu berücksichtigen, wie Menschen sterben. Werden sie krank, oder sterben sie an Altersschwäche, oder werden sie getötet? Das nennen wir eine konkurrierende Risikoanalyse, und wir haben eine neue Methode dafür gefunden. Es könnte also ein Paper daraus werden, aber ich weiß nicht, ob „Game of Thrones“ darin überhaupt erwähnt wird. INTERVIEW: Wolfgang Stieler