
(Bild: Brown University)
US-Wissenschaftler haben erstmals eine Gewebestruktur erzeugt, in der weibliche Eizellen unversehrt heranreifen können – ein neues Laborwerkzeug für Toxikologie, Reproduktionsmedizin und Krebsforschung.
Der Fortschritt in der Reproduktionsmedizin scheint keine Grenzen zu kennen: Forscher der Brown University haben aus Gewebe einen künstlichen weiblichen Eierstock hergestellt. Er soll ihnen zunächst als Forschungsumgebung dienen, um etwa die Wirkung von Umweltgiften auf Eizellen oder den Verlauf von Eierstock-Krebs genauer zu untersuchen. Eines Tages könnten dann auch in künstlichen Follikeln Eizellen vollständig im Labor heranreifen.
Den Wissenschaftlern gelang es erstmals, eine dreidimensionale künstliche Umgebung schaffen, in der die drei wesentlichen Zellarten von Follikeln existieren können: die Theca-Zellen, die das äußere Bindegewebe des Follikels bilden, die stützenden Granulosa-Zellen und die Eizellen selbst, Oozyten genannt. Neu an dem Ansatz der Brown-University-Forscher ist eine wabenförmige Gewebestruktur, die die Eizellen stützt. Aufgrund ihrer Größe können sie sonst nicht im Labor wachsen: "In einer Petrischale fällt die Zelle in sich zusammen, sagt Stephan Krotz, Endokrinologe am Advanced Fertility Center of Texas, der an dem Projekt beteiligt war.
Für die Stützstruktur entnahmen er und seine Kollegen mit Hilfe von Enzymen Eierstock-Zellen aus menschlichem Gewebe. Die gaben sie dann in eine Form aus Agar, einer Gelatine-artigen, aus Algen gewonnenen Substanz, die in Biotech-Laboren zum Verfestigen von Nährböden verwendet wird. Darauf ordneten sich die Theca- und die Granulosa-Zellen nach einer Weile zu einer wabenförmigen Struktur an, in die Eizellen platziert wurde. Mittels Hormonen stimuliert, produzierten die Theca-Zellen dann Androgen und die Granulosa-Zellen Östrogen – beide Hormone sind entscheidend für die Reifung der Eizelle.
"Wir haben uns auf die Eigenschaft der Zellen gestützt, sich aneinander anzulagern und dabei selbst eine Struktur auszubilden", sagt Jeffrey Morgan, Kodirektor des Center for Biomedical Engineering an der Brown University. Er leitete diesen Teil des Projekts. Die Struktur selbst wurde dabei von der Agar-Form begrenzt. Zunächst hatten die Forscher angenommen, dass sich die Eierstockzellen darin zu einer Kugel anordnen würden. Tatsächlich könnten sie aber auch komplexere Formen annehmen, wenn man sie entsprechend beeinflusse, sagt Morgan.
Im Labor einen weiblichen Eierstock nachzubilden, sei jedoch sehr kompliziert, sagt die Bostoner Endokrinologin Kim Thornton. Ob eine Eizelle heranreife, hänge von einer Vielzahl von Prozessen ab, die an verschiedenen Stellen im Eierstock ablaufen. "Wir können nicht all diese Bedingungen in einer Petrischale reproduzieren", so Thornton. Dennoch hält sie den neuen Ansatz für vielversprechend.
Für Frauen, deren Eierstöcke durch Krankheit, Chemotherapie oder Bestrahlung beschädigt sind, würde sich damit eine ganz neue Möglichkeit eröffnen, schwanger zu werden. Derzeit können sie eigentlich nur auf In-Vitro-Fertilisationstechniken zurückgreifen, die einige wenige reife Eizellen produzieren. In einem künstlichen Eierstock könnten hingegen Tausende Eizellen erzeugt werden, die dann auf Wunsch im Labor reifen, sagt Stephan Krotz.
Auch wenn ein Einsatz in Kliniken noch Jahre entfernt ist, sei er von der Arbeit beeindruckt, findet Alan Copperman vom Mt. Sinai Medical Center in New York. "Die Tatsache, dass wir in einer künstlichen Umgebung unfertige Eizellen wachsen und reifen lassen können, ist wirklich außergewöhnlich", so Copperman.
Er selbst erhofft sich von dem künstlichen Eierstock neue Erkenntnisse für sein Forschungsgebiet, den Alterungsprozess von Eizellen. "Wenn es uns gelingt, eine funktionierende Testumgebung zu schaffen, können wir mehr darüber herausfinden, wie man Eizellen optimiert und gute von schlechten Zellen unterscheidet."
Sandra Carson, Gynäkologin am Woman and Infants Hospital of Rhode Island, will mit ihrem Team nun genauer untersuchen, was in dem künstlichen Eierstock passiert – zum Beispiel, welche Proteine an der Reifung der Eizelle beteiligt sind. Interessant sei auch die Frage, ob man die Proteine verändern kann und daraus ein neues Verhütungsverfahren entwickeln kann. Vielleicht könnten sie sogar wichtige Erkenntnisse über die Entstehung von Eierstock-Krebs gewinnen. Vor allem aber könnte sich der künstliche Eierstock als Labor-Testumgebung eignen, um die Wirkung von Kunststoffen, Pestiziden und anderen Alltagssubstanzen auf die weibliche Fruchtbarkeit zu untersuchen. "So weit sind wir noch nicht, aber ich glaube, das wird die wichtigste Anwendung sein", sagt Carson.
Das Paper: Krotz, Stephan et al., "In vitro maturation of oocytes via the pre-fabricated self-assembled artificial human ovary", Journal of Assisted Reproduction and Genetics, 25.8.2010 (Abstract) (Karen Weintraub)