Hat die Bundesregierung beim Klimapaket ökonomische oder soziale Belange über den Klimaschutz gestellt?
41 mal, hat "taz"-Journalist Malte Kreutzfeldt nachgezählt, werde im Klimaschutzprogramm 2030 Wasserstoff als zentrales Element für den Klimaschutz erwähnt. "0 mal wird erklärt, wo der zusätzliche Ökostrom für dessen Erzeugung herkommen soll, wenn die Ausbauziele nicht stark angehoben werden."
Tatsächlich wurden die Ausbauziele nicht nur nicht angehoben, sondern sogar abgesenkt. "In einem früheren Entwurf hieß es noch, dass künftig jedes Jahr zusätzlich Windräder mit einer Kapazität von einem Gigawatt gebaut werden sollen, um bis 2030 eine installierte Leistung von 80 Gigawatt zu erreichen", schreibt Spiegel Online. "Im finalen Entwurf des Klimapakets wird nun eine installierte Leistung von 67 bis 71 Gigawatt bis 2030 angepeilt."
Erschwerend kommt hinzu: In letzter Zeit hat die Windkraft an Land nicht einmal die ohnehin wenig ambitionierten Ausbauziele erreicht. Der Zubau bewegt sich in diesem Jahr auf dem niedrigsten Niveau seit der Jahrtausendwende, seit Einführung des EEG. Ursache dafür sind unter anderem viele Klagen und langwierige Genehmigungsverfahren, die Investoren abschrecken.
Nun ist Strom natürlich nur einer von mehreren Sektoren, in dem sich CO2 einsparen lässt. Wärme und Verkehr wurden lange vernachlässigt. Insofern ist es konsequent, dass diese Sektoren nun auch verstärkt ihre Beiträge leisten müssen – wie auch immer das konkret überprüft und eingefordert werden soll. Nur: Diese Sektoren sind allerdings auf Strom aus erneuerbaren Quellen angewiesen, um etwa Fahr- und Flugzeuge sinnvoll zu elektrifizieren, Ölheizungen durch Wärmepumpen zu ersetzen oder Wasserstoff als Energiespeicher zu nutzen.
Wie die Bundesregierung mit gebremsten Windkraftausbau den CO2-Ausstoß bis 2050 auf Null senken möchte, ist mir schleierhaft. Genauso schleierhaft ist die politische Strategie dahinter: Geht es um Wählerstimmen? Auf die Stimmen einer ganzen Jugendbewegung scheint man ja locker verzichten zu können. Geht es um Arbeitsplätze? Die deutsche Windkraftbranche hat allein 2017 rund 26.000 Jobs verloren, mehr als es im Braunkohletagebau überhaupt noch gibt. Das scheint aber weder Union noch Sozialdemokraten sonderlich umzutreiben.
Geht es um Geld? Wenn Deutschland seine EU-Verpflichtungen zum Klimaschutz nicht erfüllt, muss es Zertifikate von anderen EU-Staaten kaufen. Damit finanziert es quasi die Energiewende der anderen Länder mit, ohne selbst etwas von den Investitionen zu haben. Geht es um soziale Gerechtigkeit? Werden diese Zertifikate mit Steuergeldern gekauft, werden sie von allen Bürgern und Unternehmen gleichermaßen finanziert, ohne Rücksicht darauf, wer wie viel zur Erderwärmung beigetragen hat. Sozial ungerechter geht es kaum noch.
Die Bundesregierung hat also nicht etwa ökonomische oder soziale Belange über den Klimaschutz gestellt – was man zwar kurzsichtig finden, aber irgendwie noch nachvollziehen könnte. Stattdessen hat sie offenbar so lange herumkompromisst, bis alle Aspekte gleichermaßen unter die Räder gekommen sind. Eine Lose-lose-Situation nennt man so etwas wohl.
(Gregor Honsel)